Nezouh Frankreich, Syrien, Grossbritannien 2022 – 103min.
Filmkritik
Ausharren oder abhauen, das ist hier die Frage
Ein Mann, seine Frau und ihre 14-jährige jüngste Tochter sehen sich nach jahrelangem Ausharren im zerbombten Damaskus gezwungen, ihr Haus und ihre Heimat zu verlassen. Soudade Kaadans Film ist dem magischen Realismus verpflichtet, eine feinfühlige, leise und humorvolle Parabel auf weibliche Ermächtigung in Zeiten des Krieges.
Weil ihr Vater partout nicht zum Flüchtling werden will, leben die 14-jährige Zeina und ihre Eltern auch Jahre nach Kriegsausbruch noch im zunehmend kriegszerstörten Damaskus. Doch dann wird ihr Haus bei einem Angriff von einer Bombe getroffen. Als die Soldaten die letzten Anwesenden wenig später dringend auffordern, die Stadt noch vor der nächsten Invasion zu verlassen, fällt Zeinas Mutter, die bisher stets auf ihren Mann hörte, zum ersten Mal in ihrem Leben eine eigenmächtige Entscheidung.
Seit Kriegsausbruch 2011 handeln syrische Filme fast ausnahmslos von unwillentlich Vertriebenen. Im zweiten Spielfilm von Soudade Kaadan ist Flucht allerdings eine Verhandlungssache zwischen Soldaten und den letzten Bewohnern einer von der Vereinnahmung bedrohten Stadt. Und zwischen einem Mann, der sein bisheriges Leben nicht aufgeben will, und seiner um die Zukunft ihrer Tochter besorgten Frau.
Mehrheitlich erzählt wird «Nezouh» aus der Sicht der streng behüteten 14-jährigen Tochter, die nach einem Bombeneinschlag durch ein Loch in der Decke ihres Zimmers unverhofft in die Sterne blicken kann und durch dieses Loch auch den Nachbarsjungen Amer kennenlernt.
«Nezouh» wirkt in vielem dokumentarisch. Tatsächlich bleibt Kaadan in ihrer Tragikomödie einem magischen Realismus verpflichtet. Das ermöglicht ihr, versponnene Träumereien und unbeschönigte Kriegsrealität unmittelbar nebeneinanderzustellen und nebenbei die Situation der Frauen in einer patriarchalischen Gesellschaft zu schildern.
Sie müssen sich zuerst einloggen um Kommentare zu verfassen.
Login & Registrierung