Filmkritik
Auf einen Schlag erwachsen werden
Die Filmemacherin Julie Lerat-Gersant, die beim 75. Festival von Locarno vorgestellt wurde, präsentiert ihren Film Petites, die Erzählung einer Mutterschaft, die nicht wie alle anderen ist. Camille ist nämlich erst 16 Jahre alt.
Julie Lerat-Gersant, eine Theaterfrau und Mitbegründerin der Theatergruppe «La Piccola Familia», stellte dieses Jahr ihren ersten Langfilm in Locarno in der Auswahl «Concorso Cineasti del presente» vor. Eine anspruchsvolle Kategorie, die von der Gegenwart und der Realität erzählen will. So erzählt «Petites» von den besonderen Leben und Mutterschaften, die in einem Mütterzentrum in Cherbourg zusammenleben. Eine brutale und permissive Einrichtung, die vom Faustkampf dieser Mütter und der rückwärtsgewandten Zärtlichkeit, die sie einander entgegenbringen, geprägt ist. Ein Mikrokosmos, der von Romane Bohringer, einer komplexen Matrone mit ruhigem Feuer, inszeniert wird.
«Da ist nichts drin, da ist kein Leben», sagte sie blitzschnell zur Richterin. Inmitten dieser neun Monate in der Schwebe, dieser unerschöpflichen Adoleszenz und der Mutterschaft, die ihr aufzwingt, eine andere zu sein, schlägt sich Camille so gut es geht durch. Auf Inline-Skates und mit einer Zigarette im Mund ist sie explosiv und frech. Sie muss Sinn machen, akzeptieren, oder Entscheidungen treffen, denn ihr Körper verändert sich. Der Trost ihrer Mutter hätte helfen können, aber am Vorabend der Geburt ihres Kindes wiederholen sich die Muster.
Getragen von den atmosphärischen Kompositionen des Musikers Superpoze, der sehr guten Besetzung und der schlichten Regie bietet «Petites» eine vielfältige Variation von den Höhen und Tiefen im Leben. Indem Julie Lerat-Gersant die Widrigkeiten dieser Teenagermütter, ihre (familiäre und psychologische) Isolation und ihre Zerbrechlichkeit angesichts des bevorstehenden Geburtstermins würdigt, bricht sie die romantisierende Wunschvorstellung der Mutterschaft auf. In einem Brief an ihr Kind fasst Camille alles zusammen: «Ich habe davon geträumt, auf einen Schlag erwachsen zu werden».
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