Sage-Homme Frankreich 2022 – 104min.
Filmkritik
Ein junger Mann in einem Frauenberuf
In ihrem neuen Film lässt die französische Filmemacherin Jennifer Devoldère das Publikum in das Milieu der Hebammen eintauchen und führt es so nah wie möglich an deren Arbeitsalltag heran.
Leopold (Melvin Boomer) ist enttäuscht, weil er in seinem Examen nicht gut genug abgeschnitten hat, um Medizin studieren zu können. Während er darauf wartet, dieses Ziel verfolgen zu können, besucht er die Hebammenschule. Da er sich zu Hause nicht blamieren oder seinen Vater enttäuschen möchte, verschweigt er die Wahrheit und lässt es so aussehen, als würde er Medizin studieren. Ohne jegliche Begeisterung zieht Leopold den rosa Kittel an und folgt passiv dem Unterricht mit den anderen Studentinnen. Doch die Begegnung mit Nathalie (Karin Viard), einer erfahrenen Hebamme mit starkem Charakter, und ihre Erfahrungen mit Patientinnen und Babys verändern den Blick des jungen Mannes auf diesen Beruf und wecken in ihm nach und nach den Wunsch, sich zu engagieren und Klischees und die Meinung der Anderen zu ignorieren.
Zwölf Jahre nach «Et soudain tout le monde me manque» mit Mélanie Laurent und Michel Blanc liefert die französische Regisseurin Jennifer Devoldère eine neue dramatische Komödie. Die Regisseurin, die sich sofort Karin Viard in der Rolle der Nathalie vorstellte, hatte den richtigen Riecher, als sie Melvin Boomer - aus rund 200 Bewerbern - für die Verkörperung ihres Gegenübers auswählte. Der junge Schauspieler, der in der ausgezeichneten Serie «Die Welt von morgen» als Joey Starr bekannt wurde, zeigt in «Sage-Homme» eine ganz andere Seite seines Talents: Er ist nüchterner und zurückhaltender, aber weitgehend genauso glaubwürdig wie als provokativer Rapper. Das Duo, das er mit Karin Viard bildet, ist ebenso überraschend wie berührend und funktioniert perfekt.
«Sage-Homme» ist eine dramatische Komödie über einen Neuanfang und hat den Nachteil, dass sie wenig Raum für Überraschungen lässt. Der Titel und die Zusammenfassung sagen so gut wie alles über die Handlung aus, die das Publikum erwartet. Der Film ist ein wenig zu klassisch und kommt auch nicht um einige entbehrliche Klischees herum, wie z. B. der Student, der aus einem benachteiligten Umfeld in der Vorstadt stammt, keine Mutter mehr hat und Schwierigkeiten hat, mit seinem Vater zu kommunizieren. Der Film zeichnet sich jedoch durch seine Zärtlichkeit und Nüchternheit aus. Er weist auf einige wichtige Themen hin und hat einen sanften feministischen Blick, der jedoch nicht moralisierend ist. Und ohne Drama dort zu suchen, wo es nicht nötig ist, bringt er auch - vor allem mit einigen beeindruckenden Geburtsszenen - einen fast dokumentarischen Blick ein.
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