The Mies van der Rohes Schweiz 2022 – 82min.
Filmkritik
Die starken Frauen hinter dem grossen Architekten
Sabine Gisigers Film um Leben und Werk des Architekten Ludwig Mies van der Rohe und seiner Familie entpuppt sich als ein vielschichtiges Sittengemälde der Moderne. Ausschliesslich aus der Sicht der Mies am nächsten stehenden Frauen gefertigt, ist der Film auch ein faszinierendes Beispiel feministischer Kulturgeschichtsschreibung.
Der Architekt Ludwig Mies van der Rohe verlässt 1938 Deutschland und baut sich in den USA eine neue Existenz auf. Er trennt sich damit endgültig von seiner Frau und seinen Töchtern, die sich infolgedessen allein durch die Kriegsjahre bringen müssen, Mies gleichwohl aber verbunden bleiben. Sabine Gisiger schildert die Geschichte der Familie Mies van der Rohe ausschliesslich aus der Sicht von Frauen, zu denen auch die Tänzerin Mary Wigman und die Designerin Lilly Reich gehören.
Der Architekt Ludwig Mies van der Rohe (1886-1969) ist bekannt, seine Frau Ada, seine drei Töchter Georgia, Manna und Traudel und seine langjährige Assistentin und Geliebte Lilly Reich aber sind es weniger.
Anders, als gemeinhin üblich, schildert Sabine Gisiger Leben und Werk des berühmten Mannes allerdings nicht aus dessen Sicht und auch nicht aus der ihn vorbehaltlos lobenden Rezipienten und Biografen, sondern durch die persönliche Wahrnehmung der ihm nahestehenden Frauen. Dies im Zugriff auf bisher unveröffentlichte Briefe, Tagebücher und Fotos aus dem Privatarchiv der Mies van der Rohes sowie mittels eines fiktiven Interviews mit Georgia van der Rohe, gespielt von Katharina Thalbach.
«The Mies van der Rohes» ist dicht und spannend. Ein Familienporträt und Sittengemälde, das den bisher oft einseitig auf das Verdienst von «grossen» Männern fokussierenden Diskurs der Kulturgeschichte souverän um die dringend dazugehörende weibliche Perspektive ergänzt.
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