Tout le monde aime Jeanne Belgien, Frankreich, Portugal 2022 – 95min.
Filmkritik
Spleens in Lissabon
Die Regisseurin, Drehbuchautorin und Zeichnerin Céline Devaux legt mit «Tout le monde aime Jeanne» einen überraschenden ersten hybriden Spielfilm vor, der bei den 75. Filmfestspielen von Cannes im Wettbewerb um die Goldene Kamera lief.
Nach einem beruflichen Fiasko steht Jeanne Mayer am Rande des Ruins. Um wieder auf die Beine zu kommen, gibt es nur eine Lösung: Sie muss die Lissaboner Wohnung ihrer Mutter verkaufen, die sie nach deren Selbstmord geerbt hat. Auf dem Weg nach Portugal kreuzt sie den Weg von Jean, einem exzentrischen ehemaligen Schulkameraden, der genau die Hilfe sein könnte, die sie braucht.
Als dramatische und romantische Komödie ist «Tout le monde aime Jeanne» in Form und Inhalt ein gemischtes Werk. Begleitet von einem ständigen inneren Dialog, wird die Geschichte von Animationspassagen unterbrochen, die von der Filmemacherin handgefertigt wurden. Kuriose kleine Zeichnungen mit dem angenehmen Flair einer anderen Zeit, illustrieren die inneren Qualen von Jeanne. Darüber hinaus nähert sich die Geschichte den Klassikern der romantischen Komödie durch eine sehr eigenwillige Verwendung des Klischees des "Manic Pixie Dream Girl" bzw. die Einführung einer wilden, hauptsächlich weiblichen Figur, die der psychologischen Entwicklung der Protagonistin dient. Doch hier vertauschen sich die Rollen, und es ist Jean, köstlich gespielt von einem perfekt aufgelegten Laurent Lafitte, der sich als die Stütze erweist, die Jeanne braucht, um voranzukommen, und der uns ganz nebenbei einige der besten Sprüche des Films liefert.
Blanche Gardin, die für ihre Darbietungen zwei Mal mit dem Molière de l'humour ausgezeichnet wurde, kennt sich mit Komödien aus. Doch obwohl ihre Anwesenheit eine Aneinanderreihung von kratzbürstigen Witzen erwarten liess, ist festzustellen, dass der Film eine bewundernswert inszenierte Tiefe und Ernsthaftigkeit aufweist. So ziehen sich universelle und aktuelle Themen durch das Werk und sorgen für ein Echo beim Publikum. Trauer und Familientoxizität, Umweltängste und geistige Gesundheit: komplexe Themen, die mit Sachverstand angegangen werden und im Kontrast zu der strahlenden Farbexplosion der Bilder stehen. Jeanne bewegt sich in den fabelhaften Landschaften Lissabons, die in ausschweifenden Totalen präsentiert werden. Die wunderbare Komposition schmeichelt dem Auge und weckt das Interesse, hinzu kommt der hypnotisierende Soundtrack von Flavien Berger.
Mit demselben Talent, mit dem sie 2017 beim Mostra di Venezia den Preis für den besten Kurzfilm gewann, präsentiert Céline Devaux «Tout le monde aime Jeanne», ein ausgereiftes Werk mit makelloser Ästhetik. Ein Genuss.
Übersetzung aus dem Französischen durch Maria Engler
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