Une histoire provisoire Luxemburg, Schweiz 2022 – 85min.
Filmkritik
Genf - Isfahan in einer Wohnung
Ein Schweizer und eine Iranerin, die unfreiwillig im selben Airbnb untergekommen sind, sehen sich gezwungen, zusammenzuleben. Zu den kulturellen Unterschieden und Missverständnissen kommt noch die Ankunft von Mina, einer lebhaften Amerikanerin, hinzu. Dies führt zu einer komischen und unvorhergesehenen Situation hinter verschlossenen Türen.
Ist Genf eine Filmstadt? «Une histoire provisoire» wurde fast ausschliesslich in Innenräumen gedreht und wird dementsprechend diese Frage nicht beantworten können. Allerdings bietet das Panorama der Stadt, die sich gerne als «internationales Genf» präsentiert, einen fruchtbaren Boden für das Kino, indem sich Kulturen und unterschiedliche Mentalitäten kreuzen. So werden ein Genfer (Felipe Castro) und eine Iranerin (Pooneh Hajimohammadi), die sich beide mitten in einer Ehekrise befinden, gezwungen, Mitbewohner zu werden. Eigentlich strebten sie nur Ruhe und Frieden – die Realität hält jedoch anderes für sie bereit.
Die Geschichte hat ihr eigenes Tempo und erzählt von der existenziellen Krise eines Mannes, der aus Eifersucht seine Freundin verlassen hat. Zum anderen thematisiert der Film die neuen Umstände einer Frau, nachdem sie in die Schweiz ausgewandert ist.
Klischees dienen vorteilhaft der Erzählung, denn sie werden umgedreht, um witzige Situationen zum Leben zu erwecken. Wenn die Iranerin Marjan ihren Kopf bedeckt, macht sie das aus dem einfachen Grund, von Sascha in Ruhe gelassen zu werden. Sacha, welcher Iran und Irak verwechselt, hält sie wegen der Kopfbedeckung für eine Muslimin. Die quirlige Mina, eine Amerikanerin auf der Durchreise wird von Elísabet Johannesdóttir gespielt, einer luxemburgischen Schauspielerin mit isländischen Wurzeln. Sie fasst die geopolitische Lage humorvoll in wenigen Worten zusammen, kaum dass sie in der Wohnung gelandet ist: «Lass uns versuchen, einen Weg zu finden, wie wir zusammenleben können, okay?». Die Charaktere kommen sich schnell nah, kochen füreinander und scheinen nach nur drei Tagen die besten Freunde der Welt zu sein.
Die Dreharbeiten waren durch die Pandemie gefährdet und haben sich stark verzögert. Das Budget ist explodiert und die strengen Gesundheitsauflagen zwischen der Schweiz und Luxemburg haben die Organisation belastet. Trotz dieser Umstände zeigt sich hinter den Bildern eine gewisse Freude des Filmemachers, welcher es sich nicht nehmen lässt, hier und da ein paar filmische Augenzwinker zu verteilen. Als er mit einem Gipsbein in der Wohnung festsitzt, fällt es schwer, Sacha nicht mit James Stewart in Alfred Hitchcocks «Das Fenster zum Hof» in Verbindung zu bringen, dessen Figur ebenfalls ein Gipsbein hat.
Romed Wyder legt sein Augenmerk auf eine andere Welt, die das Kino bietet: die einer traumhaften, oft amüsanten, parallelen Realität mit einem Hauch von Poesie gleicht. Die Marketingwelt, für die Sacha leere Anzeigen mit dummen Slogans für eher nutzlose Produkte entwerfen muss, wird von halb erträumten, halb fantasierten Figuren belebt. Seine Shampooplakate, die fast die ganze Wand des gegenüberliegenden Gebäudes einnehmen, leuchten in einem seltsamen, fast übernatürlichen grünen Licht. Spiegelungen seiner inneren Qualen werden so schnell verschwinden, wie seine Zukunftsaussichten wieder auftauchen. Wenn die Geschichte vorläufig ist, dann deshalb, weil sie in der Zeit aufgehoben ist, aber auch, weil sie sich ändern kann.
Übersetzung aus dem Französischen von Laura Chiarini durch Alejandro Manjon
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Kommentare
Ein Film, da der Trailer zwar Lust macht aufs Kino, aber auch falsche Fährten legt.
Wie horchte ich auf, als im französischsprachigen Film
aufs mal eine Nebenfigur auf Mundart parlierte.
Und die Ladenszene wird im Film auch anders aufgelöst werden.
Hony soit qui mal y pense.
Manch kleines Detail ist wunderbar gezeigt, aber kann auch übersehen werden.
Die Hafizlektüre: Im Iran eine Art Bibelstechen, wahlloses Aufschlagen und eines Gedichts,
und daraus eine Zukunftsdeutung erschliessen.
Andere Nebenszenen werden viel später diesbezüglich zu überraschenden Pointen führen.
Wohl auch ein zu übersehendes Detail: Die persische Schrift wird von hinten nach vorn abgezeichnet,
woher sollte der Genfer es besser wissen?… Mehr anzeigen
Wunderbarer Film, der über die kleinen Dinge im Leben spricht, die am Schluss oft wichtiger sind als die grossen.
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