20'000 especies de abejas Spanien 2023 – 129min.
Filmkritik
Wer bin ich, wenn nicht eine andere?
Estibaliz Urresola Solaguren erzählt in ihrem Spielfilmerstling vom Coming-out eines achtjährigen Transmädchens. Im Fokus ihres Dramas steht neben der Identitätssuche des Kindes das zögerliche Begreifen der ihm nahestehenden Erwachsenen. Allen voran seine Mutter ist nur mit sich selbst beschäftigt und sieht lange nicht, was vor sich geht.
Bei der Abfahrt wehrt sich Arito noch, als die Geschwister ihn Cocó nennen. Als sie im Dorf ankommen, nennt sich das Kind aber selbst so und stellt sich als Mädchen vor. Die Kinder haben damit kein Problem, die Erwachsenen schon. Während die Mutter nicht sehen will, was offenkundig ist, bittet die strenggläubige Oma darum, dem Treiben gefälligst Einhalt zu bieten. Einzig Grosstante Lita versteht, als Cocó sagt, dass sie sich «bei den Bienen so frei fühlt wie ein normales langweiliges Mädchen».
Filme, die wie «Oskars Kleid» oder «XXY», die Identitätssuche von Transgender-Kindern thematisieren, sind meist einfühlsame Dramen, die auf das intuitive Verständnis zwischen Eltern und Kind aufbauen. Nicht so der erste abendfüllende Spielfilm der Spanierin Estibaliz Urresola Solaguren. Sie schildert zwar durchaus feinfühlig die von heftigen Zweifeln begleitete Entwicklung ihrer Protagonistin. Trotzdem stellt «20‘000 especies de abejas» diesen nicht das Verständnis der Erwachsenen gegenüber, sondern zeigt vor allem ihre ablehnenden Reaktionen. So wirft der Film einen ungeschönten Blick auf das bis heute stark von patriarchalischen Vorstellungen geprägte Denken einer ländlichen Dorfgemeinschaft.
«20‘000 especies de abejas» ist trotz seines eher ernsten Tonfalls mit leichter Hand inszeniert, die Verwendung einer Handkamera spiegelt effektiv die Verunsicherung der jungen Protagonistin. Die neunjährige Sofía Otero spielt diese so natürlich wie ausdrucksstark. Auf der Berlinale 2023 wurde sie dafür mit dem Silbernen Bären als beste Darstellerin ausgezeichnet.
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Kommentare
Muss gestehen, dass ich erst gegen Ende Grossmutter und Grosstante unterschied - vorher wie ineinander blendete. Und so gabs im Film auch eine Entwicklung vom Unverständnis zum Verstehen... Ein freudsches Versprechen (beachte den Genuswechsel!)?
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