Houria Algerien, Belgien, Frankreich 2022 – 98min.

Filmkritik

Zurück ins Leben tanzen

Irene Genhart
Filmkritik: Irene Genhart

Eine Algerierin, deren Ballettkarriere durch den Angriff eines Mannes abrupt beendet wird, findet zusammen mit anderen traumatisierten Frauen zu einer ausdrucksstarken neuen Form des Tanzes. Mounia Meddours erschütterndes Drama um eine Tänzerin ist auch eine Parabel auf die stille Emanzipation von Frauen in einer männerdominierten Gesellschaft.

Die talentierte Tänzerin Houria träumt davon, ins algerische Nationalballett aufgenommen zu werden. Sie arbeitet tagsüber als Reinigungskraft, tanzt abends in Klubs und beteiligt sich an illegalen Wetten. Eines Nachts wird sie überfallen und landet im Krankenhaus. An Ballett ist fortan nicht mehr zu denken. Doch Houria findet in der Zeit ihrer Rekonvaleszenz im Zusammensein mit anderen, ebenfalls versehrten Frauen zu neuem Lebenssinn und einer befreienden und heilenden neuen Form des Tanzes.

«Houria» ist toll getanzt, schön gefilmt, mitreissend. Es ist nach «Papicha» der zweite Spielfilm der Französisch-Algerierin Mounia Meddour: die erschütternde Geschichte einer jungen Algerierin, die sich, abrupt aus ihrer Routine gerissen, neu erfinden muss.

Das persönliche Drama erzählt einiges über das Funktionieren der männerdominierten algerischen Gesellschaft und deren Traditionen und lädt sich subtil politisch auf. Etwa durch die Enthüllung der Identität von Hourias Angreifer, eines frühzeitig aus Gefangenschaft entlassenen Ex-Terroristen. Oder durch die Geschichte von Hourias bester Freundin, die der erstickenden Enge ihrer Heimat übers Meer zu entkommen versucht.

Houria wird auch tänzerisch überzeugend gespielt von Lyna Khoudri. Der im Film zunehmend aus dem Korsett des klassischen Balletts befreite Tanz funktioniert dabei nicht nur als ein Körper und Seele heilendes Medium, sondern entwickelt sich zunehmend auch zum stillen Protestschrei von ruchlos zum Schweigen gebrachten Frauen.

27.03.2023

4

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