Io Capitano Belgien, Frankreich, Italien, Luxemburg, USA 2023 – 121min.
Filmkritik
Eine Reise ans Ende der Vorurteile
Eine Odyssee zweier Freunde zwischen Dakar und Europa. «Io Capitano» feierte auf dem Geneva International Film Festival seine Schweizer Premiere.
Die beiden jungen senegalesischen Männer Seydou (Seydou Sarr) und Moussa (Moustapha Fall) nutzen ihre geringen Ersparnisse, um sich einen Traum zu erfüllen: Sie wollen nach Europa – koste es, was es wolle. Ohne ihre Familie zu informieren, begeben sie sich auf eine scheinbar endlose Reise durch die überfüllten Strassen Dakars über das Mittelmeer vorbei an der Bedrohung durch die libyschen Gefängnisse. Eine Odyssee, bei der ihre Freundschaft und Menschlichkeit der einzige Kitt sind, der die beiden Männer angesichts der sie erwartenden Grausamkeit zusammenhält.
Allein im letzten Jahr sind mehr als 2.500 Männer, Frauen und Kinder im Mittelmeer ertrunken – und diese Schätzungen sind höchstwahrscheinlich zu niedrig angesetzt. Von dem Horror, der sich mehr oder weniger direkt vor unseren Augen abspielt, erfahren wir nur diese Zahlen und ab und zu schafft es eine angespülte Leiche auf ein Titelblatt der Zeitungen. Diese Grausamkeiten bleiben ausserhalb unseres Blickfeldes und somit ausserhalb des Bewusstseins. Matteo Garrone (Regisseur unter anderem von «Gomorra»und «Reality») startet mit «Io Capitano» einen Versuch, der Ungreifbarkeit dieser Zahlen eine Bühne zu geben: Die Darstellung dieser für uns unbekannten Reise, die Jahr für Jahr die Anzahl der verlorenen Leben erhöht. Eine Herausforderung, die der italienische Filmemacher mit Bravour gemeistert hat!
Die schlichte Regie, die auf eine Erzählung in Ellipsen setzt, hebt vor allem die unglaubliche schauspielerische Leistung von Seydou Sarr und Moustapha Fall hervor. Die beiden jungen Darsteller, die durch Castings in Dakar entdeckt wurden, spielen mit beeindruckender Genauigkeit und wurden bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig ausgezeichnet.
Auch wenn der Kontext den ganzen Film trägt, können erzählerische Verkürzungen manchmal zu einem Weltbild führen, das bestimmte Sachverhalte wahrscheinlich etwas zu sehr vereinfacht. Ein Beispiel: Einige der Menschen, die in «Io Capitano» Böses tun, sind wahrscheinlich eher selbst zu ihren barbarischen Taten gezwungen, als dass sie sie mit Freude ausführen wollen. Doch das ist nur ein kleiner Kritikpunkt an einem Film, der das Versprechen hält, seine Zuschauer zu erschüttern, ohne jedoch jemals in Morbidität oder ungesunden Voyeurismus abzugleiten. Ein gelungener Balanceakt, der «Io Capitano», der zweifellos einer der einflussreichsten Filme des Jahres sein wird, seine ganze Stärke verleiht.
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Kommentare
Trotz aller Brutalität und Schrecken bewahrt der Film einen Kern Hoffnung.
Nach dem zweiten Weltkrieg wurde eine Wirtschaft angedacht, die auf drei Beiben steht, dann gwaggelets nicht. Freier Waren-, Geld- und Personenverkehr. Dann wurde nur zwei ratifiziert - wohin dies führt, zeigt der Film: Personenverkehr wird Sache enttäuschter Hoffnungen, eine Schlepper-Wirtschaft, unmenschlicher sklavereiähnlicher Zustände...
Der Capitano wächst über sich heruas, und mal beschwört er die Mitreisenden: Ihr seid Menschen! Das haben nicht alle, die im Film gezeigt werden intus. Und die Odyssee wird weiter gehen: Durch Instanzen und Bürokratien.
Übrigens verlassen jährlich mehr gut gebildete ItalienerInnen das Land, als durch Migranten neu ins Land kommen...… Mehr anzeigen
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