Le procès Goldman Frankreich 2023 – 115min.

Filmkritik

Zusammen mit Cédric Kahn im Gerichtssaal

Filmkritik: Maxime Maynard

Schauspieler, Drehbuchautor, Regisseur – der Franzose Cédric Kahn hat mehr als nur einen Trick auf Lager. Bei seinem neuen Spielfilm bleibt er komplett hinter der Kamera und inszeniert einen der wichtigsten französischen Prozesse der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts – den von Pierre Goldman.

1975 wird der Linksextreme Pierre Goldman (Arieh Worthalter) angeklagt, zwei Menschen bei einem Überfall auf eine Apotheke ermordet zu haben. Er weist die Vorwürfe jedoch zurück und beteuert vehement seine Unschuld. Während des Prozesses tritt eine Vielzahl an Zeugen auf und Fachleute teilen ihre Einschätzungen mit – bei all dem soll die Wahrheit, so gut es geht, ans Licht gebracht werden.

Vier Jahre nach «Fête de famille» entfernt sich Cédric Kahn vom Genre Beziehungsdrama und erzählt in einem fast dokumentarischen Stil von den Auswirkungen eines Falles, der zu seiner Zeit die Schlagzeilen beherrschte. Pierre Goldman, der Halbbruder von Jean-Jacques Goldman, war eine Symbolfigur der revolutionären Linken. Zu seinen Anhängern zählten grosse Persönlichkeiten der intellektuellen Szene: etwa Jean-Paul Sartre, Simone Signoret und Simone de Beauvoir.

Der belgische Schauspieler Arieh Worthalter ist in der Rolle des Pierre Goldman geradezu magnetisch. Seine Körperhaltung und seine Intonation unterstreichen immer wieder die Kraft seiner Worte. Arthur Harari verkörpert den Strafverteidiger Georges Kiejman. Der Lebensgefährte von Justine Triet – die diesjährige Gewinnerin der Goldenen Palme in Cannes mit «Anatomie d'une chute» – tut sich mit der Rolle zunächst schwer. Ihre veralteten Formulierungen gehen ihm zu Anfang nur wenig glaubwürdig über die Lippen. Erst dank der Intensität des Plädoyers und der Macht von Kiejmans Redekunst kommt er schliesslich in Schwung.

Der Gebrauch dieser «molièreschen» Sprache ist die wahre Stärke des Films. Um ihr genügend Raum zu geben, ist Filmmusik während den zwei Stunden Laufzeit im Prinzip nicht vorhanden. Gerade diese Zurückhaltung ermöglicht es dem Publikum, sich selbst eine Meinung über die Figuren zu bilden. Die Kamera fängt die Mimik der ZuschauerInnen des Verfahrens ein – sie sind begierig, das Ende zu erfahren, und wir teilen ihr Interesse. «Le procès Goldman» ist fesselnd – durch seine Sterilität könnte der Film aber auch weniger geduldige ZuschauerInnen abschrecken.

04.10.2023

3.5

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