Tótem Dänemark, Frankreich, Mexiko 2023 – 95min.
Filmkritik
Eine Ode an die Dämmerung
Sol, ein siebenjähriges Mädchen, irrt inmitten der Vorbereitungen für eine Geburtstagsfeier umher, die der Höhepunkt des Tages sein wird. «Tótem», der zweite Film der mexikanischen Regisseurin Lila Avilés, entwirft ein warmes und intimes Familienbild.
Zwischen ihren zänkischen Tanten und ihrem griesgrämigen Grossvater wandert Sol von Zimmer zu Zimmer, vertreibt sich die Langeweile im Atelier und fühlt den Puls der Natur. Sie hat nur einen Wunsch: ihren schwerkranken Vater, dessen Geburtstagsfeier vorbereitet wird, in die Arme schliessen zu können. Im Laufe des Tages kommen immer mehr Familiengeschichten ans Licht und neue Beziehungen werden geknüpft. Vor den Augen des kleinen Mädchens gerät die ganze matriarchale Galaxie in Aufruhr, deren gemeinsame Anstrengungen zusammenlaufen, um einen Mann an der Schwelle des Todes ein letztes Mal zu feiern.
Um den Vater, dessen Gesicht erst in der zweiten Hälfte des Films zu sehen ist, tummelt sich ein Schwarm von Frauen: Er wird gefeiert, aber sie sind es, die sich überschlagen. Das muntere Treiben dient dazu, einen erschöpften Körper zu ehren, der von einer Krankheit ausgehöhlt wurde. Alles beginnt mit Frauen; die Welt ist in Bewegung und wird weiblich geführt. Die kleine Sol ist Zeugin geflüsterter Vertraulichkeiten und unlogisch erscheinender Äusserungen zwischen Erwachsenen, sie schleicht sich an, beobachtet und vertreibt sich die Zeit. Sie ist zu gross für Gefühlsausbrüche wie die ihrer kleinen Cousine, zu klein für eine blasierte Miene wie ihre jugendlichen Cousinen und versucht, die Welt zu verstehen.
Was sagt man einem kleinen Mädchen, das sich nichts sehnlicher wünscht, als seinen Papa zu sehen? «Warte noch ein bisschen; er muss sich ausruhen», antwortet Cruz, die Pflegerin, die sich mit Geduld und Einfühlungsvermögen um den Kranken kümmert. Zwischen Sols Tante, die sich mit Haarfärbemittel auf dem Kopf wie ein Propeller auf der Suche nach einem Waschbecken dreht, und einer anderen, die mit Elektroden ihre Gesässmuskeln trainiert, ist es eine Welt der warmen Intimität, ohne einen Hauch von Oberflächlichkeit. Selbst wenn das Geld knapp ist, geben die Frauen alles, sie wollen es mit den Diensten einer Geisterjägerin (und Tupperware-Verkäuferin) versuchen – Machenschaften, die der Grossvater als "Teufeleien" bezeichnet.
Sol, die von Tieren fasziniert ist, findet Trost in der Natur. Manchmal verlässt sie das Haus, das nie in seiner Gesamtheit zu sehen ist, und unterhält sich mit einem Papagei oder führt eine Schnecke spazieren. Die Kamera ist nah an ihren Figuren, die sie in langen Einstellungen auf einem kleinen 4:3-Format verfolgt, und verweilt auf ihren Profilen, die von einem warmen Licht gemustert werden. Der Film, den die Regisseurin als "Umarmung" beschreibt, ist weit entfernt von einem Melodrama, sondern vielmehr ein Mosaik aus einer Vielzahl von Persönlichkeiten, das fliessend ineinander übergeht.
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