Un métier sérieux Frankreich 2023 – 102min.
Filmkritik
Ein Blick durch das Schlüsselloch
Wie sieht der Alltag einer Lehrkraft aus? Das ist die Frage, die Thomas Lilti in seinem neuen Film «Un Métier sérieux» zu beantworten versucht.
Benjamin (Vincent Lacoste) hat seinen ersten Schultag als Lehrer an einer Oberschule, wo er schnell die Tücken des Berufs kennenlernt. Der Einstieg in die Schule ist hart und brutal, auch wenn er auf die Unterstützung einer eingespielten Gruppe von Lehrer:innen zählen kann. Das Schulsystem scheint zwar zerbrechlich, doch Benjamin entdeckt die hartnäckige Leidenschaft, die diese Lehrer antreibt.
Thomas Lilti arbeitete als Allgemeinmediziner, bevor er hinter die Kamera wechselte. In seinen ersten drei Filmen, «Hippocrate», «Der Landarzt von Chaussy» und «Première année», behält er diesen Beruf auch auf der Leinwand bei. Die Themen weichen zwar voneinander ab (vom Leben eines Assistenzarztes über die Probleme von Medizinstudent:innen bis hin zum Alltag eines Landarztes), doch war es dem Regisseur stets ein Anliegen, die sozialen Realitäten dieser Berufsgruppen zu ergründen. Obwohl er in «Un Métier sérieux» die Welt der Medizin verlässt, um sich der Institution Schule zuzuwenden, bleibt das Lilti-Schema bestehen: eine verpönter Beruf, mit dem jede:r in Berührung kommt, ein unbändiger Drang nach Realismus und ein Abwenden von den Klischees des Fachs.
Obwohl es unzählige Filme über das Schulwesen gibt – von Filmen in problematischen Klassenzimmern wie dem preisgekrönten «Die Klasse» bis hin zu zahlreichen Komödien wie «Les Sous-doués» und «Les Profs» – schlägt Lilti einen Mittelweg ein. Ohne aufgesetzte Klischees über unkontrollierbare Klassen beschreibt «Un Métier sérieux» die Schikanen des Lehrerberufs mit einer Zurückhaltung, die durch seinen Wunsch nach Realismus bedingt ist. So präsentiert er eine Gruppe von Lehrer:innen, die mit grosser Verspieltheit ihren Alltag bestreitet und von einer renommierten Besetzung verkörpert wird (Lacoste, der bereits in «Hippocrate» zu sehen war, aber auch François Cluzet, Adèle Exarchopoulos oder Louise Bourgoin).
Kritisiert werden kann die Künstlichkeit einiger Szenen und Höhepunkte, das wird aber schnell durch die Aufrichtigkeit des Projekts und die sozialkritische Sicht in diesem recht unspektakulären, aber inhaltlich aufregenden Film aufgehoben.
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