Andrea lässt sich scheiden Österreich 2024 – 95min.

Filmkritik

Lakonisch-trockene Provinzstudie

Walter Gasperi
Filmkritik: Walter Gasperi

Josef Haders zweite Regiearbeit bietet mehr Drama als Komödie, besticht aber durch ruhige Erzählweise, genauen Blick aufs ländliche Niederösterreich, markante Typen und eine intensive Auseinandersetzung mit Schuld und Sehnsucht nach Neustart.

Die Polizistin Andrea (Birgit Minichmayr) ist nicht nur im Begriff, sich von ihrem Mann (Thomas Stipsits) scheiden zu lassen, sondern hat auch um Versetzung aus der monotonen niederösterreichischen Provinz in die Landeshauptstadt St. Pölten gebeten. Doch dann überfährt sie eines Nachts auf einer dunklen Landstrasse ihren Noch-Ehemann und begeht Fahrerflucht. Die Verantwortung dafür übernimmt jedoch ein Religionslehrer (Josef Hader), der kurz nach Andrea den schon Toten nochmals überfahren hat. Doch die Tat lässt die Polizistin nicht los.

Nachdem Josef Haders erste Regiearbeit «Wilde Maus» in der Grossstadt Wien spielte, wählte er für «Andrea lässt sich scheiden» das ländliche Niederösterreich als Schauplatz. Doch auch die Erzählweise der Filme unterscheidet sich. Denn sprühte das Debüt des österreichischen Kabarettisten und Schauspielers vor Witz und zeichnete sich durch hohes Tempo aus, so ist das Tempo von «Andrea lässt sich scheinden» – passend zur Provinz – deutlich langsamer. Auch der Witz ist sehr zurückgenommen und ungleich trockener.

In langen ruhigen Einstellungen erzählt Hader die Geschichte einer Frau, die von einem Neuanfang träumt, aber langsam erkennt, dass sie ihrer Tat nicht entkommen kann und Verantwortung übernehmen muss. Der Regisseur und sein Kameramann Carsten Thiele fangen wunderbar das ländliche Milieu ein und hauchen ihm durch markante Typen Leben ein.

Grosse Dramatisierung ist nicht nötig, denn allein durch den genauen Blick, bis in die Nebenrollen perfekt ausgewählte Schauspieler:innen, eine lakonische Erzählweise und ebenso knappe wie trockene Dialoge ergibt sich eine atmosphärisch dichte, tragikomische Provinzstudie.

10.04.2024

4

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Kommentare

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thomasmarkus

vor 6 Monaten

Einen (anderen?) Schluss finden war wohl schwierig...


jaho81

vor 7 Monaten

Sehr realistische Geschichte, spannend erzählt. Der provinzielle Mief wird von der Kamera hervorragend eingefangen. Sehr empfehlenswert


Tom29

vor 7 Monaten

Wohltuende Langsamkeit, die zu einer dichten Atmosphäre beiträgt. Der Film besticht durch diese Ambiance. Weniger ist mehr, das gilt für das Sprechen. Die Bilder sind umso eloquenter. Sehr zu empfehlen!


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