Dream Scenario USA 2024 – 100min.

Filmkritik

Der Boomer deiner Träume

Maria Engler
Filmkritik: Maria Engler

«Mister Sandman, bring me a dream» – doch was ist, wenn der Sandmann allen Menschen dasselbe bringt: einen mittelalten Mann mit Pullunder und Halbglatze, der ungefragt in ihren Träumen auftaucht? «Dream Scenario» macht aus dieser absurden Prämisse einen noch absurderen Film, der trotzdem ein sehr reales Phänomen beleuchtet. Was ist Ruhm? Und vor allem: wie wird man ihn wieder los?

Paul Matthews ist ein Mann mittleren Alters, ein peinlicher Vater, ein etwas schluffiger Ehemann und nur mässig mitreissender Dozent für Biologie. Er träumt schon seit Jahrzehnten vom Durchbruch als Autor, sein Buch hat er aber noch nicht einmal begonnen. Ruhm ereilt ihn aus einer völlig anderen Richtung, als er eines Tages in den Träumen von immer mehr Menschen auftaucht. Schon bald beginnen die Träume wildfremder Menschen Auswirkungen auf Pauls echtes Leben zu haben – vor allem, als Pauls Traum-Doppelgänger immer mehr ausser Kontrolle gerät.

Die Prämisse von «Dream Scenario» ist so einfach und gleichzeitig genial, dass sich die Frage stellt, warum vorher noch niemand auf diese Idee gekommen ist. Die Idee eines kollektiven Bewusstseins, eines Elementes, das in den Träumen vieler Menschen plötzlich auftaucht, ist nicht nur hochspannend, sondern auch besonders schräg, wenn dieses Element ein Mann mit Halbglatze und Bauchansatz ist.

«Dream Scenario» ist nach «Sick of Myself» der zweite Spielfilm des norwegischen Regisseurs Kristoffer Borgli und so erfrischend, dass es eine Freude ist. Dazu trägt nicht nur die spannende Grundidee bei, sondern auch die vielen verschiedenen Träume, die hier ausbuchstabiert werden. Mut zur Absurdität zeigt der junge Regisseur aber auch ausserhalb der Traumwelten – hier ist sie auch sehr viel schwerer zu ertragen. Als maximaler Kontrast zu den kreativen Traum-Szenarien steht die so normale, geradeheraus langweilige Familie und der besonders blasse Familienvater Paul.

In einem Film, der sich zentral um die Frage von Persönlichkeit und Fremdbild, um Ruhm, Erwartungen und Identität dreht, ist es bezeichnend, dass Nicolas Cage hier völlig entgegen seines Images auftritt. Anstatt seiner übertriebenen, ausdrucksstarken und teilweise durchgedrehten Performances, für der zurecht Ruhm erlangte, spielt er in «Dream Scenario» so zurückhaltend und leise, dass es immer wieder Momente gibt, in denen man vergisst, wer da gerade auf der Leinwand zu sehen ist – eine echte Offenbarung!

Die schillernde Star-Persona von Nicolas Cage tritt in den Hintergrund und macht Platz für einen kleinen, traurigen Mann mit hängenden Schultern und zitternder Stimme. Cage wechselt dabei mühelos zwischen Komik und Tragik, genauso wie «Dream Scenario» als Ganzes. Der Film ist in seiner Absurdität witzig und fesselnd, aber bleibt niemals ohne Trauer und echte Konsequenz – ein Drahtseilakt, der selten so gut gelungen ist.

Insgesamt ist «Dream Scenario» ein spannender und unterhaltsamer Film, der einen sehenswerten Kommentar zum Thema Ruhm abliefert – sowohl inhaltlich als auch mit der Wahl seines Hauptdarstellers. Eben noch ist Paul Matthews überglücklich über seine unverdiente Berühmtheit, einen Moment später will er sein Image nur noch loswerden – doch das Urteil liegt nicht in seiner Hand. Ein bissiger Kommentar über Stars und die Aufspaltung in private und öffentliche Person – und wie eine ganze Industrie daran verdient.

01.10.2023

4

Dein Film-Rating

Kommentare

Sie müssen sich zuerst einloggen um Kommentare zu verfassen.

Login & Registrierung

thomasmarkus

vor 9 Monaten

Wenn viral gehen zum Albtraum wird: Unscheinbar Verschwinden in der Masse (der Herde) geht nicht mehr, wie zufällig zur Beute geworden, zerfleischt einem der Hype... Wie wär dem Langweiler lage Weile zu gönnen gewsen, statt der paar Momente Ruhm, die ru(hm)inieren...


as1960

vor 9 Monaten

Ein grossartiger Nicolas Cage erscheint in "Dream Scenario" in den Träumen von verschiedenen Menschen. Nach einer kurzen Anfangseuphorie führt dies zu Ausgrenzung und Cancel Culture einer Person die eigentlich gar nichts gemacht hat. Eigentlich eine originelle, interessante Idee, die aber schlecht umgesetzt ist. Zu viel wird auf die Bilder der Traumsequenzen gesetzt, und es bleibt zu wenig Zeit für eine echte Auseinandersetzung mit dem Thema.Mehr anzeigen


Cinexpert

vor 9 Monaten

Dieser Film war absolute Verschwendung der Lebenszeit und des Geldes meiner Frau und mir selber! (Unter-) Null Unterhaltungswert! Aber sicherlich super geeignet für den Zuschauerkreis pseudointellektueller Hobby-Psychoanalytiker und Hardcore-Esoteriker!


Mehr Filmkritiken

Gladiator II

Red One - Alarmstufe Weihnachten

Venom: The Last Dance

Typisch Emil