The Quarry Belgien, Frankreich, Niederlande, Spanien 1998 – 112min.

Filmkritik

Ein Mörder wird Pfarrer

Filmkritik: Lukas Gürtler

Als Pfarrer getarnt sucht ein Mörder Unterschlupf in einer friedlichen Dorfgemeinschaft. Zunächst klappt die Täuschung. Doch wie der Schwindler von seiner blutigen Vergangenheit eingeholt wird, bahnt sich für alle eine Katastrophe an. Mit "The Quarry" drehte die belgische Regisseurin Marion Hänsel einen nachdenklichen Thriller über Schuld und Sühne.

Auf einer staubigen Landstrasse irgendwo in Südafrika: Ein Baptistenpfarrer (Serge-Henri Valcke) fällt einem Mord zum Opfer. Es gibt keine Zeugen. Der Mörder (John Lynch aus Sliding Doors) schlüpft kurzerentschlossen in die Identität seines Opfers, tritt dessen neue Stelle als Dorfpfarrer an und entzieht sich dadurch den Konsequenzen der Strafverfolgung. Noch ahnt er nicht, welches Räderwerk aus unausweichlichen Geschehnissen er damit in Gang setzt, von dem nicht nur er selbst, sondern bald einmal alle Dorfbewohner erfasst werden. Doch zunächst verläuft alles reibungslos und niemand schöpft Verdacht. Souverän versieht er seine neuen Aufgaben als Prediger, ja er entwickelt sogar ein erstaunliches Talent als Gottesmann. Fast scheint es, als habe der Mörder nicht bloss die Kleidung mit seinem Opfer getauscht, sondern auch die Psyche.

Eigentlich könnte sich nun alles zum Guten wenden, wären nur alle Spuren der hässlichen Mordtat beseitigt. Doch bald beginnt sein Lügengebäude zu wanken. Unerbittlich nimmt das Schicksal seinen Lauf, immer tiefer gerät der Mörder in den Strudel der Ereignisse, ohne einen Ausweg zu finden. Im Gegenteil, gerade seine Versuche zur Schadensbegrenzung verstricken ihn noch tiefer in Schuld. Als schliesslich ein harmloser Gelegenheitsdieb (Oscar Peterson) den unzimperlichen Polizeichef Mong (Jonathan Phillips) unwissentlich zur Leiche führt und dadurch selbst unter Mordverdacht gerät, überstürzen sich die Ereignisse. Der wirkliche Mörder sieht sich vor die folgenreiche Entscheidung gestellt, entweder sich selber ans Messer zu liefern oder einen Unschuldigen.

Die unerbittliche Folgerichtigkeit, mit der sich nun vor den Augen des Zuschauers Schritt für Schritt die Katastrophe vollzieht, wirkt beklemmend. Natürlich ahnt man die ganze Zeit, dass auch in dieser vordergründig intakten Dorfgemeinschaft einiges nicht ganz in Ordnung ist. Auch hier wirft eine dunkle Vergangenheit ihre Schatten. Zum Beispiel hält der ermittelnde Polizeichef Mong mit pikanten Details aus seiner eigenen Biographie hinter dem Berg. Gerade durch dieses unbewältigte vergangene Unheil wird neues entfacht. "The Quarry" bedient die Erwartung nach Aufklärung nicht. Bewusst arbeitet Marion Hänsel mehr mit Auslassungen und Anspielungen denn mit deutlichen Fakten und dramaturgischen Pointen. Entstanden ist so ein Film, der gleichsam die oberste Schicht einer menschlichen Fassade aufkratzt und dabei auch einigen Schmutz zutagefördert. Doch über dies hinaus bleibt am Ende die Ahnung von ungenannten Geheimnissen, die tief unten weiterwuchern. "The Quarry" ist ein Film für Fans düsterer Geschichten, die bis zum Ende düster bleiben.

09.05.2019

4

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