East Is East Grossbritannien 1999 – 101min.
Filmkritik
Anglo-pakistanische Familie: A bloody mess!
Dem Regie-Neuling Damien O'Donnell ist sein Einstieg wirklich geglückt. In England und Deutschland feiert sein erster Langspielfilm grosse Erfolge. Die Komödie dreht sich um eine vielköpfige anglo-pakistanische Familie, die im Nord-England der 70er Jahre ihren Weg zwischen religiöser Tradition und modernem Lebensstil zu finden versucht.
George Khan (Om Puri), pakistanischer Frittenbudenbesitzer in Nordengland und Familienpatriarch, hat alle Mühe, seine siebenköpfige Kinderschar und seine englische Ehefrau unter Kontrolle zu halten. Den ältesten Sohn musste er bereits aus dem Haus jagen, nachdem dieser die ihm zugewiesene Braut beim Zeremoniell einfach hat stehen lassen und damit Schande über die ganze Familie gebracht hat. Der Jüngste ist noch nicht beschnitten, obschon er schon fast erwachsen ist. Die Tochter hält sich nicht an die traditionelle Kleiderordnung. Der zweitälteste Sohn betätigt sich als der Casanova der Nachbarschaft, ein weiterer besucht heimlich eine Kunstschule und fertigt dort weibliche Geschlechtsteile aus Kunststoff an. Einem der Tradition verpflichteten pakistanischen Familienoberhaupt mangelt es im modernen England wirklich nicht an Herausforderungen.
Natürlich geschehen diese skandalösen Dinge wenn möglich im Geheimen, denn alle fürchten die zornigen Ausbrüche des Vaters. Als er aber wieder zwei Söhne verkuppeln will, ohne ihnen auch nur das kleinste Mitsprache-Recht einzuräumen, gelingt es auch der britischen Ehefrau und Mutter (Linda Bassett) nicht mehr, in diesem Kampf zwischen den Kulturen zu vermitteln. Der Vater wird gewalttätig, schlägt Frau und Kind, die Komödie verliert vorübergehend ihren Humor, oder mischt in diesen zumindest mehr und mehr den Ernst des Sozial-Dramas.
Mit diesem Verfahren reiht sich der Regie-Neuling Damien O'Donnell gewissermassen in eine englische Tradition ein, die wir am besten von Mike Leigh her kennen. Lustig wirken all diese "kleinen Leute" in ihren Backsteinsiedlungen für uns ja ohnehin, schon nur wegen der �bloody mess" von einer Sprache, die diese kettenrauchenden Schlafrock-Ladies mit ihren übergewichtigen Tee-Freundinnen, die frechen Jugendlichen mit ihren schlechten Teints und ihre grossmäuligen Familienoberhäupter sprechen. Doch sind diese Filme nie nur dem Lachen verpflichtet, es geht in ihnen immer auch um zwischenmenschliche Beziehungen, um soziale Strukturen, um Verlust und Rückeroberung von Nestwärme. Dass das manchmal ein wenig zum Sentiment neigt, macht nichts, denn dazu neigen wir ja manchmal auch. O'Donnel macht seine Sache insgesamt sehr gut, und ein Haufen ausgezeichneter Schauspieler helfen ihm dabei, allen voran Linda Basset als die einmal scharfzüngige, das andermal fügsame Frau zwischen den Fronten. Mit der Schar von talentierten Jungschauspielern gelingt O'Donnel viel Dialog- und noch mehr visueller Witz. Dass z.B. der Kopf des Jüngsten fortwährend und selbst im Bett noch in seine Parka-Kapuze gehüllt bleibt, sieht lustig aus, und der Bildwitz bewährt sich glänzend als metonymische Entsprechung der verspäteten Entfernung seiner Vorhaut, vor der er sich verständlicherweise fürchtet.
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