Notting Hill Grossbritannien, USA 1999 – 123min.

Filmkritik

Die Heldin und ihr schläfriger Prinz

Nach Richard Curtis' Oscar-Nominierung für das Drehbuch von "Four Weddings and a Funeral" war man auf seine neue Vorlage gespannt. Wieder eine fulminante Komödie mit stark britischem Einschlag, bei der man das Taschentuch für die Lach- und Trauertränen hervorholt? Ja und Nein. Notting Hill strickt das Märchen etwas einfacher, und wenn sich Hugh Grant als tollpatschiger Buchhändler und Julia Roberts als Hollywood-Diva am Ende auf der Parkbank zur Ewigkeit niederlassen, ist es Zeit, sich zu schneuzen: Die unmögliche Liebe ist einmal mehr möglich geworden.

Man könnte ebenso gut das 370. Märchen aus "1001 Nacht" nacherzählen: Ein Held findet nach langem Herumirren in der Wüste eine schlafende Prinzessin in einer Höhle, rein zufällig, versteht sich. Die Erwachende aber meint: "Endlich bist du gekommen! Schon dreihundert Jahre warte ich auf dich." Gleich liest man im umfangreichen Fragenkatalog flackernder Lagerfeuer oder flauschiger Bettlaken morgens um vier. Wieso hat sie gerade auf ihn gewartet? Ist das Zufall, Fügung, Schicksal?

In Notting Hill wird eine modernere Variante desselben Märchens erzählt: William (Hugh Grant) besitzt einen Buchladen im belebten Stadtteil Londons Notting Hill. Seit ihn seine Frau verlassen hat, teilt er sich die Wohnung mit dem walisischen Stadtteiloriginal Spike (Rhys Ifans), bedient seine Kunden, trödelt sich durch die Welt und hegt, was Frauen angeht, seine Träume und Ängste. Anna (Julia Roberts) ist Filmstar von Beruf und versteckt sich hinter einer Sonnenbrille, seit sie für ihre Rollen mehr als zehn Millionen Dollar verdient und von allen Titelseiten ihr Gesicht ohne Sonnenbrille herablächeln sieht. Sie ist die Film-Diva schlechthin, berühmt, gefeiert, reich. Sie ist die Heldin.

Und wie sie eines schönen Sommertages durch die staubige Wüste von Notting Hill bummelt, trifft sie in der schattigen Höhle eines Bücherladens einen schläfrigen Mann. Er ist der Besitzer des Ladens und berät sie beim Bücherkauf. Wenige Minuten später holt er sich aus der nahegelegenen Bar einen Orangensaft, den er auf dem Rückweg unabsichtlich über seine zufällig daherkommende Heldin verschüttet. Nach weiteren Zwischenfällen fällt der erste Kuss, und dann haben die beiden den ganzen Rest des Films damit zu tun, herauszufinden, ob es sich bei ihnen so verhält wie in der orientalischen Wüstenhöhle, ob also hier ein Buchhändler seit dreihundert Jahre auf seine Diva wartet.

Notting Hill ist ein Film über soziale Disproportion unter Liebenden: Wie können sich zwei für einander bestimmt fühlen, wenn sie doch aus völlig unterschiedlichen Milieus kommen? Leider hat das Genre der Romantischen Komödie die Eigenschaft, dass der Zuschauer immer schon weiss, wie die Geschichte endet, nämlich auf der Parkbank für die Ewigkeit. Das sülzige Hin und Her zwischen den beiden Liebenden würde zur leeren Farce, wären da nicht all die Nebenfiguren, deren profanes Schicksal etwas weniger ernst genommen wird. All die, in deren Höhle es vielmehr heisst: "Endlich bist du gekommen! Ich warte schon seit einer halben Stunde.".Spike zum Beispiel, wenn er im Taucheranzug auf der Dachterasse nach Vögeln Ausschau hält; Honey (Emma Chambers), die dem Filmstar beim ersten Familienbesuch bis auf die Toilette nachrennt; Bernie (Hugh Bonneville), der als vollendeter Pechvogel dem Film seine schönste Melancholie verleiht. Wer Julia Robert schön findet, wird sie gewiss auch in "Notting Hill" schön finden. Doch die Würze geben dem Film die Nebenrollen, die sich um die voraussagbaren Ränkespiele des Hauptpaars gruppieren, und das Drehbuch, das zwar nicht als ganzes, doch an vielen Stellen unterhält - und jenseits von allem Klamauk noch einiges zu sagen hat über die Kunst des Liebens.

17.08.2024

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Kommentare

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Movie_Maniac

vor 3 Jahren

In "Notting Hill" begegnet "William Thacker" (Hugh Grant) zufällig der weltberühmten Schauspielerin "Anna Scott" (Julia Roberts), wodurch sich nach und nach eine Liebesgeschichte entwickelt. Diese ist oftmals sehr kitschig, aber oftmals auch witzig und amüsant. Eine gelungene Liebeskomödie, die dank den beiden Hauptdarstellern ein kleiner Klassiker geworden ist.
7.5/10Mehr anzeigen


kayleligh

vor 11 Jahren

find ich total lustig, der walisische Mitbewohner so was von schräg, na ja und auch noch romantisch... hach was für Frauen


movie world filip

vor 12 Jahren

das war ein romantische blockbuster - hugh grant auf sein höhepunkt, julia roberts wieder voll in vorm... charmante story


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