Filmkritik
Vom Versuch, sich der Vergangenheit zu stellen
Die beiden amerikanischen Dokumentarfilmerinnen Frances Reid und Deborah Hoffmann haben die Arbeit der südafrikanischen "Truth & Reconciliation Commission" während zwei Jahren begleitet. Diese Kommission begann 1997 mit einer öffentlichen Aufarbeitung der Verbrechen, die unter dem Apartheid-System begangen wurden. Dieser Weg, sich mit einer Vergangenheit voller Schrecken auseinander zu setzen, ist einmalig in der Weltgeschichte. Der Film macht anhand von vier Beispielen eindrücklich deutlich, wie schwer er zu gehen ist.
Spätestens seit den Nazigold-Skandalen sollten wir SchweizerInnen wissen, dass die Vergangenheit einen einholt, wenn man sich ihr nicht stellt. Südafrika unterstützte nach dem Ende der Apartheid die öffentliche Diskussion über das Geschehene. Nicht eine Generalamnestie und damit verbundene Verdrängung soll einen Neuanfang ermöglichen. Stattdessen wurde die "Truth & Reconciliation Commission" ins Leben gerufen. Sie soll helfen, all die Emotionen, Hass, Schuld und Schmerz zu verarbeiten, den Prozess der Versöhnung fördern und ein Zusammenleben in Zukunft ermöglichen. Das Angebot an Weisse und Schwarze hiess: Für Verbrechen, die im Zusammenhang mit dem rassistischen Regime standen, können die Täter Amnestie beantragen. Die Bedingung: Reue und eine detaillierte Beschreibung der Tat vor der Kommission. Die Sitzungen – und damit die Geständnisse – sind öffentlich und werden im Fernsehen übertragen.
Die Amerikanerinnen Frances Reid und Deborah Hoffmann halten in ihrem Film vier Fälle fest. Dazwischen kommen JournalistInnen und Mitglieder der Kommission zu Wort, unter ihnen der Vorsitzende Erzbischof Desmond Tutu.
Junge Schwarze haben auf eine amerikanische Studentin eingestochen, weil sie in ihr nur eine weisse Unterdrückerin sehen konnten, und nicht eine gegen die Apartheid engagierte junge Frau. Ein Polizist beschreibt, wie er gemeinsam mit Kollegen auftragsgemäss vier Aktivisten umgebracht und die Leichen nachher angezündet hat. Ein schwarzer Polizeispitzel erzählt, er habe auf einen Jugendlichen geschossen, obschon der mit erhobenen Armen auf ihn zukam. Ein weisser Polizist erzählt von derselben Aktion, doch in seiner Version handelte es sich bei der Tötung um Notwehr; er sei sich keiner Schuld bewusst. Ein ANC-Aktivist hat mit einer Autobombe drei weisse Frauen getötet. Jeder einzelne Mord hat trauernde Mütter, Väter, Brüder, Schwestern und Ehefrauen zurückgelassen, die nun gemeinsam mit den Mördern einen Staat aufbauen sollen.
Die Kommission kann den Prozess der Versöhnung vielleicht fördern; erzwingen kann ihn niemand, das wird eindrücklich deutlich. Auch, wie unterschiedlich die einzelnen mit der Erinnerung an die brutalen Morde umgehen. Die Taten liegen zum Teil zehn Jahre zurück; Trauer und Verzweiflung brechen jedoch wieder auf, wenn die Hinterbliebenen noch einmal den Verlust durchleben und zum ersten Mal hören, was sich genau zugetragen hat. Wut und Hass sind nicht einfach wegzuwischen.
Der Film dokumentiert die Arbeit der Kommission, er hinterfragt sie nicht. So erfährt man nichts über ihre Auswirkungen auf den südafrikanischen Alltag. Gelingt es ihr tatsächlich, den Versöhnungsprozess zu fördern? Oder bleibt doch alles beim Alten, bleiben die Mörder sogar gerade dank der Amnestie in ihren Machtpositionen?
Was Reid und Hoffmann jedoch eindrücklich zeigen: Wie schwer dieser einmalige Weg ist, den Südafrika hier geht. Erahnen kann man, wieviel Mut von allen Einzelnen verlangt wird, und wie mutig der politische Entscheid war, die "Truth & Reconciliation Commission" ins Leben zu rufen.
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