Filmkritik
Max und die Gitarre
Regisseur Tony Gatlif erzählt in seinem neuen Film "Swing" wiederum eine mit viel Musik ausgestattete Geschichte aus der Welt der Fahrenden. Zusammen mit dem kleinen Max entdecken wir in den heruntergekommenen Aussenquartieren von Strassburg den rasanten "swing manouche" à la Django Reinhardt.
Die Filmografie von Tony Gatlif liest sich wie ein Lexikon über die Lebenswelten und die Musik der Zigeuner in all ihren Facetten. Der 1997 in Locarno ausgezeichnete "Gadjo Dilo" widmete sich den Roma Rumäniens und ihren wehmütigen Liedern; «Vengo» dem andalusischen Flamenco. Doch wieso in die Ferne schweifen? Auch in nahen Gefilden wie Strassburg liegen musikalische Schätze der Zigeuner – "Manouches" genannt– verborgen. Diesmal heisst das Leitthema "Swing manouche", jazziger Gitarrensound, der durch den Gitarristen Django Reinhardt (1910–1953) bekannt wurde.
Wie in "Gadjo Dilo" ist es auch in "Swing" ein "Gadjo" (Nicht-Zigeuner), der von der Musik fasziniert, in die Welt der Fahrenden eintaucht. Der kleine Max (Oscar Copp) will seine langweiligen Sommerferien für Gitarrenuntericht ausnutzen. Die Suche nach einem billigen Instrument führt ihn in eine Zigeuner-Siedlung am Rande von Strassburg. Die knabenhafte Göre Swing (Lou Rech) vermittelt Max im Tausch gegen seinen Discman nicht nur eine alte Gitarre sondern auch ihren Vater Miraldo (Tschavolo Schmitt) als Lehrer. Max bestaunt, wie dessen flinke Finger über die Saiten fliegen. Ohne Noten, nur nach dem Herzen und den Ohren, lautet Miraldos Methode. Max ist nicht nur von der Musik hingerissen, sondern ebenso von der wilden Swing, mit der er nach dem Unterricht durch die Gegend streift. Als die Ferien zur Neige gehen, muss Max seine erste unschuldige Liebe und die ihm vertraut gewordene Welt der «Manouches» hinter sich lassen. Die Musik, die wird ihm bleiben.
Gatlif schwankt ziemlich unentschlossen zwischen Max‘ "Coming of age"-Geschichte und dem Anspruch, die Lebensumstände der Manouches filmisch zu dokumentieren. Der Film zerfällt deshalb streckenweise in seine Bestandteile: Immer wieder wird die Rahmenhandlung durch mitreissende Musikszenen unterbrochen. Es ist eine wahre Freude, dem Spiel zuzuschauen, aber Max geht in der Zwischenzeit vergessen. Ausserdem konzentriert sich Gatlif nicht nur auf die Gitarristen des "Swing manouche", sondern lässt auch Klezmer-Musiker, einen marokkanischen Oud-Spieler und den lokalen Damenchor aufspielen, was in einem undefinierbaren Mult-Kulti-Brei resultiert. Es bleibt die Binsenwahrheit: Weniger wäre hier mehr gewesen.
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