Wenn Träume fliegen lernen Grossbritannien, USA 2004 – 90min.

Filmkritik

Peter Pan enthüllt

Serge Zehnder
Filmkritik: Serge Zehnder

Als Momentum beschrieb der gebürtige Schweizer Marc Forster den Erfolg und Rummel um seinen Film "Monster's Ball", der Halle Berry einen Oscar bescherte. Die Frage nach dem Folgeprojekt wurde aufgeworfen, und Forster beantwortet sie mit einem wunderschönen und ungewöhnlichen Ehe- und Familiendrama über die Enstehung von J.M. Barries Theaterstück "Peter Pan".

Von der US-Kritik als Fiktion abgestempelt, mag dieser Film über die Entstehung eines der berühmtesten Märchen des zwanzigsten Jahrhunderts keine akkurate Beschreibung der Ereignisse sein. Dafür ist er ein vielschichtiges und, wie schon Marc Forsters letztes Werk, hervorragend gespieltes Melodram.

Der Autor J.M. Barrie (Johnny Depp), gezeichnet von seinem jüngsten Misserfolg am Londoner Theater, lebt seit einer Weile entfremdet von seiner Frau Mary (Radha Mitchell). Getrennte Betten, getrennte Welten und auch getrennte Gefühle versammeln sich unter dem Dach eines noblen Londoner Stadthauses um 1903. Barrie unternimmt deshalb des öfteren Parkspaziergänge, um den allzu realen Umständen seiner Ehe zu enfliehen. Auf einem seiner Ausflüge begegnet er der Witwe Sylvia Llewelyn Davies (Kate Winslet) und ihren vier Söhnen Jack, George, Michael und Peter. Barries Fähigkeit, aus dem Alltag eine Reise ins Reich der Fantasie zu kreieren, bindet die Familie, und insbesondere Peter, an den etwas realitätsfremden Autoren, der im Gegenzug in dieser Gruppe von familiär schiffbrüchigen Menschen eine neue Heimat und neue Inspiration findet.

Eine kitschige Abwandlung der "Peter Pan"-Mär abzuliefern, gehört zu den grössten Gefahren bei der Umsetzung des bekannten Stoffs (man erinnere sich an Steven Spielbergs "Hook"). Glücklicherweise, und trotz einiger Ausflüge zum über-pathetischen, findet Forster einen ungemein menschlichen Ton im Fahrwasser des Jungen, oder in Johnny Depps Fall des Mannes, der nicht erwachsen werden wollte.

Zugegebenermassen verläuft "Finding Neverland" inhaltlich nach bekannten Mustern, die der sorgfältigen Inszenierung und der überzeugenden Schauspielarbeit etwas von ihrer Qualität nehmen. Dies sind allerdings nicht wirkliche Versäumnisse, zumal das Drehbuch und Forsters Regie genügend Raum für die Mehrdimensionalität der Charaktere gewähren und das Ensemble um Depp und Winslet dem verspielten Umgang mit einer altbekannten Story mehr als gerecht wird.

Das Herz der Pan-Geschichte war stets der unmögliche Wunsch, nie die Welt des Erwachsenendaseins und somit auch nie den Tod kennenzulernen. "Finding Neverland" stellt durch das verschieben der Perspektiven von den Kindern zu ihrem Schöpfer und die Portraitierung von Sylvia die Frage, wie viele Eltern sich vielleicht wünschen, dass ihre Kinder nie erwachsen würden. Diese Umkehrung ist nicht nur intellektuell faszinierend, sondern gibt dem Fim auch ein starkes emotionales Fundament und bestätigt die Vermutung, dass Marc Forster in den kommenden Jahren zu den führenden Regiegrössen Hollywoods aufsteigen kann.

10.11.2020

4

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Kommentare

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stephelbine

vor 12 Jahren

Hat mir wirklich gut gefallen


Gelöschter Nutzer

vor 14 Jahren

Trotz der prominenten Besetzung, darunter einige meiner Lieblingsschauspieler bleibt der Film auf wundersame Weise trocken. Die weltberühmten Mimen können ihr schauspielerisches Talent überhaupt nicht ausspielen. Auch die stellenweise Massage der Tränendrüse bleibt letztlich ohne Wirkung. Als Märchen für Kids wie für Erwachsene kann der Film wohl kaum eine der Zielgruppen überzeugen. Das Beste ist noch der Titel. Gegen Ende wird dann die Schmerzgrenze allerdings noch überschritten, wenn Johnny Depp und die todkranke Kate Winslet händchenhaltend auf dem Sofa sitzen und sie dann gemächlich mit langer Schleppe ins Neverland schreitet. ( American Kitsch!) Julie Christies muss eine undankbare Rolle als böse Mutter spielen, die dann gezwungenermaßen am Ende einknickt. Alles vorhersehbar, langweilig, kein eindrucksvolles Denkmal für den Erfinder von Peter Pan - aber deswegen haben wir uns den Film doch eigentlich angeschaut…Mehr anzeigen


apple01

vor 14 Jahren

Jonny Depp und Kate Winslet in einem wunderbaren Film von Marc Forster.


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