Aus der Tiefe des Raumes Deutschland 2005 – 88min.

Filmkritik

Legende über die Legende

Beatrice Minger
Filmkritik: Beatrice Minger

Gil Mehmert erzählt mit "Aus der Tiefe des Raumes" eine Legende über die Legende Günther Netzer und schreibt die Biografie des bekanntesten deutschen Fussballstars der 70er Jahre neu - wird mit dieser Komödie jedoch kaum ein Fussballfanherz begeistern.

Bundesrepublikanische Kleinstadt in den Sechzigern. Volle Retro-Ausstattung: Wohnwand, Blümchentapete, Bob-Frisuren, Strickpullover, Hornbrille. Alles da. Auch Hans Günther (Arndt Schwering-Sohnrey), ein merkwürdiger Aussenseiter mit einem merkwürdigen Hobby: Tipp-Kick Fussball spielen. Darin ist er richtig gut und auch handwerklich äusserst geschickt, sodass er sich für das Ausscheidungsturnier für die deutsche Meisterschaft seine eigene Tipp-Kick-Figur - die Nummer 10 - bastelt, die unschlagbar sein wird. Doch dann passiert Unerhörtes: Nach dem Turnier nimmt Hans Günter nicht nur den Messingsiegesteller mit nach Hause, sondern auch Marion (Mira Bartuschek).

Und in dieser besagten Nacht ereignet sich nicht nur Hans Günthers erste grosse Liebe, sondern auch die wundersame Verwandlung seiner Nummer 10. Die technischen Errungenschaften der 60er Jahre machen sich selbstständig und erzeugen zusammen mit den Chemikalien aus Marions Fotolabor eine chemische Reaktion: Just in dem Moment nämlich als die Nummer 10 blöderweise in die Badewanne fällt und zu allem Überdruss genau in dem Moment auch noch der Blitz in Marions Haus einschlägt. Das Resultat ist eine Mischung aus Clown Dimitri und Barbie-Ken. Mit Tipp-Knopf auf dem Kopf, Trikot und starrer Haltung (Eckhard Preuss). Soweit ganz originell. Der Film erzählt in der Folge von der Metamorphose der Tipp-Kick-Figur zu der Fussballlegende der 70er Jahre schlechthin: Günther Netzer.

Mit "Aus der Tiefe des Raumes" präsentiert der Theaterregisseur Gil Mehmert sein Spielfilmdebüt und nennt es sinnigerweise nach der gleichnamigen Autobiographie von Meister Netzer selber. Ein modernes Märchen für Erwachsene will es sein, das den deutschen Nationalsport für einmal nicht von der historiengeschwollenen, bierernsten Seite angeht. Dabei hält der sonst eher langatmige Film hin und wieder durchaus Highlights bereit. Zum Beispiel dann, wenn die Parallelitäten zwischen dem menschgewordenen Tipp-Kicker und dem wahren Günther Netzer entwickelt werden: Das lange wallende Haar, sein exzentrischer Lebensstil (Disco, schnelle Autos, Frauen), sein Hüftfussballspiel, das meditative Wesen oder wie er zu seinem sinnbildlichen Namen kommt. Dann nämlich erscheint der Film als Persiflage auf ein überhöhtes Fussballmysterium.

Dann vergeudet der Film aber soviel Zeit, seine crazy-Geschichte doppelt und dreifach zu motivieren, dass er sich selber ins Abseits manövriert und zur Flachpassunterhaltung verkommt. Man würde sich das Ganze ironischer und schräger, trashiger wünschen, wenn schon. Und kürzer. Zur Beruhigung aller Fussballfans: zum Schluss bekommt man dann doch noch den echten Günther zu sehen und kann sich das Schmunzeln nicht ganz verkneifen.

18.05.2021

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