Brokeback Mountain USA 2005 – 134min.
Filmkritik
Schöne Jungs, hässliche Gesellschaft
Zwei charakterlich völlig gegensätzliche Cowboys verlieben sich in einander und erleben den amerikanischen Albtraum: Wegen der rigiden Moralvorstellungen der Gesellschaft müssen sie ihre Beziehung Jahrzehnte lang verheimlichen, woran sie psychisch zu Grunde gehen.
In der nächtlichen Landschaft verliert sich ein Pickup, dessen Fahrt an seinem matten Scheinwerferlicht zu verfolgen ist. Nachtruhe auch auf der Tonspur. Da durchschneidet ein einzelner, gezupfter Gitarrenton die Stille und schafft mit seinem Vibratoklang Westernatmosphäre. Ang Lee gibt schon in der ersten Einstellung und mit dem ersten Ton den Tarif für grosses Kino durch, in dem jede Szene stimmt, alle Details wie mit einem Pinsel genau gesetzt sind. Gleichzeitig wird die Spannung zwischen Oberfläche und Triebkräften geöffnet: Einen in die Jahre 1963 bis 1983 verpflanzten Western zu drehen, wäre Lee zu billig gewesen.
Die rauhe, weite Natur, die weitgehend unberührte Landschaft in den Bergen Wyomings verbreiten keine Westernromantik, wenn sich Ennis del Mar (Heath Ledger) und Jack Twist (Jake Gyllenhaal) gegen deren Unbill behaupten müssen oder sich in ihr vergnügen und dabei dem Gefühl von Freiheit und Abenteuer des klassischen Westerns eine andere Note geben. Zwar sind sie hier auch den gesellschaftlichen Einschränkungen entflohen, die aber nicht im geregelten Tagesablauf und den gesetzlichen Bestimmungen zu suchen sind, sondern im Tabu einer Liebesbeziehung zwischen Männern. Es ist erstaunlich, dass dieses Thema nicht viel früher aufgegriffen wurde, denn Frauen im Western sind eigentlich ein Störfaktor: Für die eigentliche Handlung unbrauchbar und im Weg stehend, während es zur Sache geht.
Doch radikal werden die Western-Motive nicht demontiert, denn die beiden Cowboys hüten keine Kuhherde, sondern kommen sich beim Schafehüten näher, und die in seltsam fahlen Farben gefilmte Enge der schwer zugänglichen Berge ersetzt die Weite der Prärie. Die körperliche Beziehung zwischen den Männern wird dagegen klar gezeigt und auch nie durch Tuntenhaftigkeit entwertet: Beide stehen in Berufs- und Privatleben ihren Mann, beide haben eine Familie gegründet und müssen ihre Liebe auch vor ihren Ehefrauen geheim halten. Jack als flexibler, redegewandter Utopist kämpft für eine gemeinsame Zukunft, während der schweigsame Ennis sein Los ertragen lernt.
Immerhin ist für einen betont visuellen Regisseur wie Ang Lee eine schweigsame Hauptrolle ideal, und so transportieren Gesten, Blicke und das Verhalten die Gefühle. Konsequent fragt Ennis nach einigen Jahren des Doppelspiels einmal "Don't she suspect something?" in fehlerhaftem Englisch - wer sowenig spricht, hat halt keine Übung. Übung hat allerdings Ang Lee, dem wieder ein grossartiger Film gelang, mit dem er unter anderem den Goldenen Löwen für den besten Film in Venedig errang, und von Routine ist zum Glück nichts zu spüren.
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