Ejforija Russische Föderation 2006 – 73min.
Filmkritik
Amour fou am stillen Don
Eigenwilliges Kino, das zwar vom Theater herkommt, aber die ganze Breite an filmischen Stilmitteln konsequent ausnützt: Der russische Theaterregisseur und Autor Ivan Vyrypaev erzählt in seinem Filmdebüt eine klassische Tragödie voller Leidenschaft und Gewalttätigkeit.
Sie lebte mit ihrem Mann. Er war älter, sie noch jung und schön. Sie hatten eine kleine Tochter und einen bösen Hund. Liebten sie sich? Und irgendwo lebte er. Sie sahen sich nur einmal - an einer heiteren Hochzeit. Danach konnten sie nicht mehr ohne einander leben, atmen. Und der Mann? Er ist weder böse und noch dumm. Er ist so, wie er ist. Er lebt einfach. Was soll er tun, wenn die Frau das Haus verlässt? Das Haus niederbrennen. Was soll er tun, wenn sie zu einem anderen geht?
Es ist eine einfache, eine klassische Geschichte, die uns Vyrypaev erzählt, eine Geschichte von Leidenschaft, Ehebruch, Eifersucht und Rache, eine Tragödie, die seit dem Griechischen Theater immer wieder neu erzählt wird. Nicht von ungefähr verweist der Film durch seinen Titel auf die griechische Kultur. Die Dialoge sind einfach, die Protagonistin sagt immer wieder "ich weiss nicht". Und sie weiss wirklich nicht, sie lässt geschehen.
Oberste Instanz ist die Kamera. Sie begleitet die Protagonisten wie ein Hund sein Herrchen auf einem Spaziergang. Sie eilt davon, entdeckt hier etwas, wird dort von jemandem abgelenkt und kehrt immer wieder zurück. Ihr Blickwinkel ist aber nicht der eines Hundes, viel eher der eines Vogels. "Ejforija" ist einem Hyperrealismus verpflichtet, quasi als Ode an die Künstlichkeit der Natur. In dieser unkonventionellen Filmsprache liegt die stärke des Films. Er ist streng durchkomponiert, wunderbar kadrierte Standbilder und kontemplative Sequenzen wechseln sich mit dynamischen Kamerafahrten ab. Und wenn die Kamera abhebt und auf Erkundungstour geht, setzt eine Akkordeonmusik von einer hypnotischen Schwere ein, die alles zu erdrücken droht: eine Art unterdrückte Euphorie.
Die Euphorie an sich wird in einer Art Rahmenhandlung bildlich umgesetzt: Jugendliche schicken einen Irren auf einem Motorrad mit Seitenwagen los. In voller Fahrt gerät dieser in einen Geschwindigkeitsrausch und fährt in seiner Euphorie geradeaus über ein Feld. Die Kamera fokussiert auf das von Irrsinn und Euphorie entstellte Gesicht. Das Thema wird in einer Szene mitten im Film weitergeführt: Eine Frau sitzt mit offener Bluse am Strassenrand, ihr Höschen in der rechten Hand. Sie wirkt weggetreten. Sie wurde nicht vergewaltigt, nein sie träumt dem wunderbaren Sex von vorhin nach und lässt die Euphorie langsam ausklingen.
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