Am Ende kommen Touristen Deutschland 2007 – 88min.

Filmkritik

Cannes - muss aber nicht

Kyra Scheurer
Filmkritik: Kyra Scheurer

In der Reihe «un certain regard» in Cannes lief in diesem Jahr der neue Film von Robert Thalheim, der mit seinem HFF-Übungsfilm «Netto» ein beeindruckendes Debüt hingelegt hatte. Und jetzt: Schon die Grundidee von «Am Ende kommen Touristen» ist vielversprechend: Ein junger Deutscher, der eigentlich in einer Amsterdamer Jugendherberge Zivildienst leisten will, aber in der Gedenkstätte Auschwitz gelandet ist, wo er einen dort arbeitenden Überlebenden betreuen soll.

Der Regisseur hat einen sehr persönlichen Einblick in die Thematik, hat selbst für die Aktion Sühnezeichen seinen Zivildienst in Auschwitz geleistet und in Oswiecim - wie die polnische Stadt Auschwitz eigentlich und jenseits des Lagers heißt - gelebt. Diesen Widerspruch will Robert Thalheim nun einfangen, die Normalität eines Ortes an dem in unserer Vorstellung nichts normal ist und sein sollte. Und er will erzählen von den Kommunikationsschwierigkeiten zwischen jungen Polen und Deutschen einerseits und zwischen Jungen und Alten andererseits. Und wenn Thalheim sich darauf konzentriert hätte, den Prozess der langsamen Annäherung von Sven und seinem neuen "Schützling" Stanislaw Krzeminski zu erzählen, hätte "Am Ende kommen Touristen" ein sehr eindringlicher Film werden können.

Aber die Geschichte des von der polnischen Schauspiellegende Ryszard Ronczewski kongenial verkörperten ehemaligen Häftlings, der fast manisch die Koffer von Auschwitz-Opfern für die Ausstellung restauriert und nun langsam aufs Altenteil abgeschoben werden soll, ist nur ein Teil der Handlung. Denn Sven zieht zufällig genau bei der polnischen Fremdenführerin ein, die er schon im Lager bewundert hatte und zufällig ist ihr Bruder und Teilzeitmitbewohner auch gerade der Sänger und Gelegenheitsarbeiter, der Sven auf einem Konzert als "Fritz" blöd angemacht hatte. Ein paar Zufälle zuviel in diesem Plot und auf der Ebene der Bildgestaltung ein paar bemühte und redundant verwendete visuelle Metaphern zu viel. Schön gewesen wäre auch, wenn dieser Film ohne Schuberts "Winterreise" (die zuletzt im deutschen Kino für "Jagdhunde" und Steinbichlers "Winterreise" strapaziert wurde) ausgekommen wäre und allein mit der wirklich passenden und eigens aufwändig beschafften polnischen Rockmusik gearbeitet hätte.

Schön allerdings ist, dass sich Thalheim erfolgreich bemüht, die schlimmsten visuellen Klischees und den manipulativen Druck auf die Tränendrüsen zu vermeiden. Allerdings geht er an anderer Stelle dann nicht weit genug, scheut das wirkliche "Feel-Bad-Movie", das angesichts der unfreiwillig allorten entstehenden Peinlichkeiten nahe gelegen hätte und das vielleicht eine Sogwirkung jenseits der absichtsvoll vermiedenen rührseligen Empathie hätte entwickeln können. So aber bestimmen zwischen zugegeben immer wieder beeindruckenden Szenen erstaunliche Längen diesen Film und der Zuschauer bleibt seltsam indifferent zurück. Leider.

13.03.2008

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Kommentare

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pradatsch

vor 16 Jahren

... kein Wunder also, dass sich der deutsche "Zivi" Sven in Oswiecim nicht recht zu Hause fühlen kann. Und als er endlich so weit wäre, wird ihm die Integration erst recht verweigert. "Mir ist hier alles irgendwie zu kompliziert", meint er am Schluss, aber eigentlich ist er vor allem einsam. Dass es sein Engagement ist, das ihm eine Art Heimat bieten kann, zeigt der Film auf eine dem Thema angemessen sensible Weise.Mehr anzeigen


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