Egoiste - Lotti Latrous Deutschland 2007 – 92min.
Filmkritik
Die barmherzige Samariterin
Sie ist ihrer Berufung gefolgt, hat ihre Familie zurückgelassen, um Menschen in der afrikanischen Elfenbeinküste zu helfen. Lotti Latrous (54) wurde für ihren Einsatz zur Schweizerin des Jahres 2004 gekürt. Der Freiburger Stephan Anspichler hat sie, ihre Geschichte, Konflikte und Arbeit porträtiert - bewegend und ohne Schminke.
Eine biblische Geschichte oder doch eine für die Boulevardpresse? Lotti Latrous wirkte und wirkt im Stillen, im westafrikanischen Staat Elfenbeinküste. Vor etwa zehn Jahren gingen ihr in Abidjan im Sterbespital von Mutter Teresa die Augen auf. Sie brach mit ihrem bisherigen Leben - als Mutter dreier Kinder und Frau eines tunesischen Nestlé-Topmanagers. Lotti Latrous kehrte dem gutbürgerlichen Dasein den Rücken und begab sich als Sterbehelferin in die Slums von Abidjan. Schweizweit bekannt wurde sie, als man sie zur Schweizerin des Jahres 2004 im Fernsehen kürte. Lotti Latrous wurde zur öffentlichen Person, welche die Boulevardpresse zur schweizerischen Mutter Teresa hochstilisierte. Das ist ihr sauer aufgestossen, und sie liess kein gutes Haar an ebendieser Presse anlässlich der Filmvorpremiere in Zürich. Aber das ist eine andere Mediengeschichte.
Lotti Latrous hat ihre Vorstellung von Leben und Lebenssinn radikal umgesetzt. Sie hatte drei Kinder, als sie ihrer Berufung als "barmherzige Samariterin" nach Abidjan folgte. Das schlechte Gewissen, ihren Mann Aziz und ihre Kinder Selim, Sonia und Sarah im Stich gelassen zu haben, beschäftigt sie bis heute. Diesen radikalen Schritt dazumal von der Mutter zur Samariterin für andere, für Fremde hatte sie mit ihrem Mann besprochen. Beide haben diese Entscheidung getragen - bis heute. Die Familie Latrous existiert, funktioniert, auch wenn noch nicht alle Wunden, besonders beim Sohn Selim, verheilt scheinen. Der irreführende Filmtitel "Egoiste" manifestiert nur das Empfinden der Hauptfigur Lotti Latrous. Sie sagt, sie sei eine Egoistin, weil sie ihr Lebensziel, ihre Berufung verwirklicht habe. Welch ungewollte Ironie! Sie gibt alles, sie geht selbstlos auf in ihrer Nächstenliebe, in ihrer Fürsorge für andere - mit Leib und Seele! Das soll eine Egoistin sein?
Das alles erläutert (mit reichlich vielen Zwischentexten), beschreibt (in zahlreichen Statements der Hauptperson und ihrer Familienmitglieder) und dokumentiert das Porträt "Egoiste - Lotti Latrous" eindrücklich und bewegend. Stephan Anspichler, Jungfilmer aus Freiburg i. Br., war im deutschen TV-Talk "Kerner" auf die Frau aufmerksam geworden, die Nächstenliebe als tatkräftige selbstlose Hilfe versteht und lebt. Ihn interessierte jedoch nicht nur ihr Einsatz und Umgang mit todkranken Menschen, sondern auch ihre Beweggründe, ihr Seelenheil und das ihrer Familie. In ihrer Berufung ("Ich konnte nicht anders") habe sie Lebenssinn, Seelenheil und Frieden gefunden, sagt Lotti Latrous heute. Das Sterben, der Tod seien ihr vertraut geworden. Auch davon zeugt der Film: eine Passion für Patienten. Die intimen, unter die Haut gehenden, aber nie voyeuristischen Aufnahmen sind Alban Kakulya zu verdanken. Die unglaubliche Hingabe einer Frau, dem Tode geweihten Kindern und Erwachsenen, zumeist Aids-infiziert, zu helfen, imponiert und animiert, selber zu helfen - so oder so.
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Kommentare
Ich bewundere Lotti L. für ihren Einsatz. Nach dem Film war ich jedoch erschlagen von all dem Elend, das leider real existiert.
Sehr realitätsnahe Doku aber nichts für schwache Nerven. Man sieht viele sterbende Menschen und vorallem auch Kinder. Wie sie leiden und weinen. Ist wirklich sehr hart. Konnte zwei Nächte nicht mehr richtig schlafen.
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