Amerrika Kanada, USA 2009 – 92min.

Filmkritik

Herz ist Trumpf

Filmkritik: Eduard Ulrich

Wer bei Palästinensern zuerst an Bombenbauer denkt, bekommt neue Munition. Was da aus Palästina nach Illinois exportiert wird, ist eine Charme-Bombe mit Selbstzünder, die mit ihrer explosiven Herzlichkeit schließlich den Erzfeind ins Boot und eventuell sogar ins Bett holt. In Cannes gab's dafür den Preis der Internationalen Filmkritik.

Raina ist bald 40, erzieht ihren 12-jährigen Sohn allein, kümmert sich um ihre alte Mutter, und alle leiden unter den Schikanen der Besatzer im Westjordanland. Die Gelegenheit, in die USA auszuwandern, packt sie beim Schopfe, ihre Siebensachen in einen Koffer, ihren Sohn bei der Hand, und so wagt sie den Sprung über den Atlantik.

Ist es ein Zynismus der Geschichte, dass gerade jenes Land, welches als Schutzmacht der Besetzung Palästinas fungiert, das Auswanderungsziel Nummer eins für die dort Geschundenen darstellt? Vielleicht verhält es sich damit wie mit dem Ruf Europas in Afrika: Die Realität ist für die meisten Immigranten bitter. Das muss auch die palästinensische Rumpffamilie auf ihrem Schleuderkurs mit steiler Lernkurve erfahren, denn schon die erste Lektion bei der Einreise lehrt unmissverständlich, dass diese neue Gesellschaft auf nichts weniger gewartet hat als auf eine Araberin mit einem Sohn im selbstmordattentatfähigen Alter. Fuß können die beiden Gestrandeten nur fassen, weil sie bei Verwandten unterkommen, einem Paar mit einer Tochter im selben Alter wie Rainas Sohn.

Die Ausgangslage ist also übel. Aber wer fast 40 Jahre israelischer Besatzung überlebt hat, lässt sich offenbar nicht so leicht unterkriegen, auch wenn er wieder unten durch muss. Man staunt, dass die in Nebraska als Tochter palästinensischer Eltern aufgewachsene Cherien Dabis in ihrem ersten Spielfilm keine rührselige Abrechnung mit dem elenden Schicksal der Palästinenser vorlegt, sondern ein ideologiefreies Werk, das sich mit Hoffnungen, Wünschen und Regungen beschäftigt, die allen Menschen gemeinsam sind. Dabis schrieb auch das Drehbuch, entwickelte aber die Rollen mit ihren phänomenalen SchauspielerInnen weiter.

Ein Glücksfall ist die Besetzung der Hauptrolle mit der erfolgreichen palästinensischen Schauspielerin Nisreen Faour. Ihre natürliche Herzlichkeit ist ansteckend und schafft die Atmosphäre eines a-religiösen Weihnachtsfilms. Die hohe Qualität der Actricen zeigt sich auch darin, dass die umwerfende Hiam Abbass ("Lemon Tree") in einer wichtigen Nebenrolle besetzt ist, ohne dass ein Qualitätsgefälle zu konstatieren wär.

17.02.2024

5

Dein Film-Rating

Kommentare

Sie müssen sich zuerst einloggen um Kommentare zu verfassen.

Login & Registrierung

Mehr Filmkritiken

Typisch Emil

Tschugger - Der lätscht Fall

Hölde - Die stillen Helden vom Säntis

Landesverräter