Kommissar Bellamy Frankreich 2009 – 110min.
Filmkritik
Krimi oder Familiengeschichte?
Die Filmfamilienfabrik Chabrol rollt ein neues Modell aus: einen soliden Oldtimer mit etwas zeitgeistigem Accessoire. Was ein Kriminalfilm im Stile Simenons hätte werden sollen, kommt nicht auf Touren und verfährt sich auf Nebenwegen.
Der Anfang verspricht einiges: Bevor man endlich etwas erkennen kann, hört man ein sorgloses Pfeifen, welches der Szenerie einen vielsagenden Kommentar unterlegt, dessen Bedeutung am Ende des Films klar sein wird. Die sich anschließende Wackelkamerafahrt ist beinah das einzige Zugeständnis an die heutzutage üblichen Mittel des Erzählens, denn Ausstattung, Figuren und Verlauf scheinen nicht im hier und jetzt angekommen zu sein.
Claude Chabrol denkt seinen Film als "indirekte" Hommage an Simenons Maigret und an Gérard Depardieu, der gar nicht so wenig machen kann wie nötig wäre, um die Aufmerksamkeitswelle abzubauen, in die ihn der Blick der Kamera jedesmal eintaucht, wenn er ins Bild tritt. Depardieus Inspektor weilt fern von Paris in den Ferien, kann es aber natürlich nicht lassen, sich mit einem dubiosen Fall zu befassen, der gerade vom Fernsehen ausgewalzt wird. Der offiziell mit dem Fall betraute Kommissar tappt völlig im Dunkeln, der Regisseur verliert allerdings auch bald das Interesse daran und verirrt sich auf Abwege zu Familiengeheimnissen und multiplen Persönlichkeiten und Identitäten, die hier noch in der der physischen Welt erprobt werden - das World Wide Web ist weit weg.
Auch wenn die Geschichte auf einer Zeitungsmeldung beruht, wie der Regisseur festhält, so lässt er sich nicht allzu sehr von Wahrscheinlichkeiten einengen. Lieber führt er immer wieder kleine Überraschungen ein, um die Zuschauer bei Laune zu halten. Damit man das eigentliche Thema nicht ganz vergisst, rapportiert der Komissar den Stand der Ermittlungen von Zeit zu Zeit, mangels dienstlichem Pendents, seiner Frau - eine betuliche Reminiszenz an die Zwischentitel der Stummfilme.
Damit neben dem Crime der Sex nicht zu kurz kommt, sind ein paar erotisch gemeinte Geplänkel eingeflochten, die aber zusammen mit dem schwulen Paar aus dem Freundeskreis des Komissars, wohl auch eine zeitgeistige Konzession, die keine weitere Funktion erfüllt, mehr Behauptung als Verwirklichung bleiben. So ist leider auch dieser Aspekt nicht im Sinne des Erotomanen Simenon gelungen, Fall vermasselt: Das wär dem notorisch erfolgreichen Inspektor Maigret nicht passiert.
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