Turistas Chile 2009 – 105min.
Filmkritik
Wo geht's zurück zur Natur?
Die Chilenin Carla hat sich ihre Ferien anders vorgestellt: Von ihrem Ehemann sitzen gelassen, fährt sie spontan mit einem norwegischen Touristen in einen Nationalpark. Der Bau einer Schnellstrasse schreitet voran, aber sonst tut sich wenig im zweiten Spielfilm der Chilenin Alicia Scherson.
Ein chilenisches Paar fährt Richtung Süden in die Ferien, doch statt Freude breitet sich im Auto Spannung aus. Carlas Übelkeit hat nichts mit ihrer Schwangerschaft zu tun, wie ihr Ehemann Joel zunächst vermutet. Beiläufig erwähnt die 37-Jährige, dass sie abgetrieben hat: Sie war sich nicht mehr über ihren Kinderwunsch sicher. Joel schweigt, weint: Diese Ehe baut nicht auf Kommunikation. Bei einer Pinkelpause fährt er Carla davon. Was tun?
Eine schwierige Frage für die nicht gerade entschlussfreudige Carla. Beim Autostopp lernt sie den jungen Norweger Ulrik (Diego Noguera) kennen: Er überredet sie, mit ihm in einen Nationalpark zelten zu gehen. Die Frau aus Santiago taucht in die Natur ein; Vogelspinnen und Käfer mögen ihr bald nichts mehr anhaben. Doch das Idyll trügt, Motorlärm zeugt vom Bau einer Schnellstrasse. Wie die Natur haben die Figuren in "Turistas" mehrere Gesichter: Der Parkwächter landete einst einen Pop-Hit, zwei Cousinen verkaufen Lebensmittel, wirken aber in ihrer Gothic-Kluft und ihrem gelangweilten Verhalten einiges urbaner als Carla.
Die Chilenin Alicia Scherson gibt sich in ihrem zweiten Spielfilm experimentierfreudig. Versucht Carla, ihren Ehemann telefonisch zu erreichen, erscheinen die Handyempfangs-Balken auf der Leinwand. Wenn Carla und Ulrik Ferienfotos schiessen, setzt die Tonspur einige Sekunden aus, während das Bild bewegt bleibt. Diese Spielereien wirken ebenso charmant wie die klischeefreien Figuren. Sie wiegen aber nicht auf, dass wenig geschieht - zu wenig.
Die Figuren entwickeln sich nicht. Die Abtreibung Carlas bleibt eine Anekdote. Auch die Beziehung, die sie zu Ulrik aufbaut, bleibt schwammig. Carla treibt ein bisschen durchs Leben, so scheint es. Das mag bei Spätpubertierenden charmant wirken, bei einer Fast-Vierzigerin irritiert es. Ihr ungeplanter Aufenthalt im Nationalpark, ihre zumindest temporäre Trennung vom Ehemann bewegen wenig: Am Schluss des Films tritt sie ebenso unsicher auf wie zu Beginn. Dadurch bleibt sie den Zuschauern gleichgültig, auch wenn die Hauptdarstellerin Aline Kuppenheim sie überzeugend verkörpert.
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