CH.FILM

Schweizer Geist Schweiz 2012 – 88min.

Filmkritik

Die unerträgliche Leichtigkeit des Schweizerseins

Michael Lang
Filmkritik: Michael Lang

Severin Frei spürt den typischen Merkmalen des Schweizer Geistes nach. Zu sehen und zu hören sind sympathische Menschen, die sich Gedanken zum Thema machen. Da schaut man anfangs nicht ungern zu, aber irgendwie geht einem diese Leichtigkeit des Schweizerseins auf den Geist.

Er lässt sich gut an. Passanten in Berlin, Paris oder Rom äussern sich zur Schweiz. Es fallen, klar, Klischeebegriffe wie Banken, Schokolade, Steuern. Gewitzt und auch kritisch. Und man hofft: Aha, da will ein Filmemacher Leute von aussen über den eidgenössischen Tellerrand in unser Schlaraffenland hineinblicken lassen. Das wäre ein schwieriges, aber spannendes Konzept gewesen. Doch dann sagt ein wackerer Schweizer Gardist im Vatikan, was Schweizer Sache ist: "Unser Image ist gut."

Und so macht sich Severin Frei (Panamericana) aus Wattwil auf, die Vorgabe zu bestätigen. Aus dem Off stimmt die Radiolegende Christoph Schwegler mit einem leicht ironischen Text auf eine Spurensuche in allen Landesteilen ein. Man delektiert sich an blitzblanken Landschaften und Menschen, die glückstrunken erklären, wie toll sie eigentlich ist, die Schweiz. Man sieht, wie dem Vieh auf der Alp die Kopfhärchen frisiert werden, wo Frau alphornbläst, wie Käse gemacht wird. Und hört den Sprecher einer weltberühmten Messerfirma sagen: "Das macht für mich den Schweizer Geist. Alles in einem - wie bei einem Sackmesser."

Werbung, wem Werbung gebührt. Auch für die Schweizerische Rettungsflugwacht, für die Erfinder eines Kleinfluggeräts mit Kamera, das Superbilder von Skirennen aufnimmt. Oder für den Kabarettisten Michael Elsener, der zum Filmthema etwas zu sagen hat, aber vor allem Kostproben seines Imitationstalents abliefert. Die Besonderheit des Tessins vermittelt übrigens ein Experte in Sachen Kastanienkultur. Und über allem ist ätherische Wohlfühl-Musik, besonders bei Szenen über der Nebelgrenze. Dort, wo richtige Schweizer eben verweilen und es in Demut leichter fällt, auf eine etwas schwierigere Befindlichkeit zu verweisen, die man sich in den urbanen Niederungen vorstellen könnte.

Nur megaheile Schönwettersicht? Jein. Einmal rieselt Schnee bei diffusem Licht. Es wird spannend, weil ein rätoromanischer Forstexperte einen Baum fällt. Man spürt, dass der Job gefährlich ist. Im Sinn des Wortes eine einschneidende Sache, die symbolisch etwas mit den Kehrseiten des Seins zu tun hat. Leider lässt Frei den sympathischen Mann sagen: "Wenn ich die Kettensäge in der Hand halte, ist es, wie wenn ich meine eigene Frau in der Hand halte." Hoppla, wäre da ein Schnitt nicht besser gewesen. Dafür hätte man nachhaken dürfen, wenn ein Walliser Bergführer anführt, dass wir Schweizer selber daran Schuld haben, dass wir so attraktiv sind. Item: Zum Schluss stellt Kommentator Schwegler fest: "Auch im Paradies ist man am Ende des Tages selber verantwortlich für sein Glück." Stimmt, gilt auch für Filmemacher.

15.04.2013

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Kommentare

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buono

vor 11 Jahren

Wunderschöne Bilder aus jeder Ecke der Schweiz, angenehme und den Bildern angepasste Musik, pointierte Aussagen zur Postkarten-Schweiz, gut gemachter Film


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