Finsterworld Deutschland 2013 – 91min.

Filmkritik

Heiter bis finster, hell bis düster

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Der Titel ist Programm: Frauke Finsterwalder zeigt abgründig ein deutsches Universum, in dem sich Grinsen und Grauen ein Stelldichein geben. Ihr Episodenfilm mit namhafter Besetzung pendelt unverblümt zwischen Komik und Horror.

Sind die Bären los? Nein, ein Polizist ist in ein Bärenkostüm geschlüpft und macht, so getarnt, gern den Hampelmann. Als Befreiung und Ausgleich sozusagen zu den überhöhten filmischen Ambitionen seiner Partnerin (Sandra Hüller). Schutzmann Tom (Ronald Zehrfeld) kann ihr nicht genügen. Fast schon alltäglich scheint das Verhalten des mehrbesseren Pärchens Sandberg (Bernhard Schütz, Corinna Harfouch), das nichts Gutes an ihrem Heimatland Deutschland findet.

Indes verkümmert Mutter Sandberg (Margit Carstensen) im Altenheim. Ihr tut die Anteilnahme des schrulligen Flusspflegers Claude (Michael Maertens) gut, der ihr spezielle selbst gebackene Kekse mitbringt. Diese Verbindung überrascht indes ebenso wie der friedliche Einsiedler (Johannes Krisch), der nach einem Vandalenakt ausrastet und zur Knarre greift.

Ins Herz der Finsternis will ein engagierter Lehrer (Christoph Bach) seine Pennäler führen und hat einen KZ-Ausflug organisiert. Nur Dominik (Leonard Scheicher) nimmt Reissaus, weil sich seine Freundin Natalie (Carla Juri) vom blonden Schnösel Maximilian (Jakub Gierszal) knutschen lässt. Nicht genug, die arg naive Natalie lässt sich überrumpeln und – unfreiwillig – in einen Verbrennungsofen einsperren.

Auch bei schönstem lichtem Tag fallen Schatten. Im Episodenfilm Finsterworld schlägt Helligkeit plötzlich in Finsternis um, wird Heiteres durch Grauen abgelöst. Zwischen verschiedenen Figuren gibt es Berührungspunkte und Verbindungen: Der faschistoide blonde Jüngling Maximilian etwa ist der Sohn der nörgelnden Sandbergs und Ausreisser Dominik läuft einem Tier- und Naturfreund vor die Flinte.

Christian Kracht, Frauke Finsterwalders Lebenspartner, schrieb am Drehbuch mit. Ein Film wie ein komischer Ausflug, eine Achterbahn- und Höllenfahrt zugleich: lustvoll, schrill, schräg, abgrundtief, beängstigend. Die Episoden widerspiegeln ein Land, in dem sich Schönes und Schräges findet, aber auch das Böse haust. Ein Film wie Häutungen wie beim Zwiebelschälen. Finsterwalders Debütfilm entpuppt sich als diffiziler Mix aus Idylle und Satire, Komödie und Drama. Eine der besten und vielschichtigsten deutschen Kinoproduktionen der letzten Jahre.

22.04.2024

4

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Kommentare

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Erich_2004

vor 10 Jahren

Genial! Spannend, überraschend und sehr kreativ!


empedokles

vor 10 Jahren

Hat mir abschliessend nicht gefallen. Unausstehliche Charaktere, die zeigen sollen, wie dekadent und spiessig die Deutsche Gesellschaft geworden ist. Ich frage mich, ob es nicht auch dekadent ist, sowas unbedingt zeigen zu wollen. Und auch wenn's teilweise gut geschrieben ist, fand ich es zuweilen aufgesetzt und ich mag Zynismus einfach nicht, da wächst man raus. Also ich würde vermuten die Charaktere sind den Machern ziemlich ähnlich.Mehr anzeigen


kira026

vor 10 Jahren

Packend. Zu Anfang noch komisch, bis man sich fragt, worüber man da eigentlich lacht.


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