Venus im Pelz Frankreich, Polen 2013 – 96min.

Filmkritik

Verbales Duell

Patrick Heidmann
Filmkritik: Patrick Heidmann

Roman Polanski hat sich immer schon gerne bewährter Vorlangen für seine Filme genommen. Zuletzt wurde er dafür – siehe Carnage – am Theater fündig, und auch mit Venus in Fur holt er nun wieder einen Bühnenstoff auf die Leinwand. 2010 hatte das englischsprachige Stück von David Ives in New York Premiere, wechselte ein Jahr später dank des großen Erfolges an den Broadway und wurde schließlich für zwei Tony Awards nominiert.

Lediglich zwei Personen treten in dem Stück auf, und auch in der von Polanski und Ives gemeinsam verfassten Filmversion ändert sich daran nichts. Der Regisseur Thomas (Mathieu Amalric) sucht eine Hauptdarstellerin für seine nächste, von Sacher-Masochs legendärer Novelle "Venus im Pelz" inspirierte Theaterinszenierung. Am Ende eines langen Tages, als er die Hoffnung bereits aufgegeben hat, taucht noch Vanda (Emmanuelle Seigner) zum Vorsprechen auf, die zwar passenderweise genauso heißt wie seine Protagonistin, ansonsten aber so gar nicht Thomas' Vorstellungen entspricht. Davon lässt sie sich allerdings weder einschüchtern noch abhalten - und so entspinnt sich zwischen den beiden ein verbales Duell auf Augenhöhe, in denen sich verschiedene Ebenen von Realität und Fiktion zusehends verwischen.

Das Hin und Her zwischen Regisseur und Schauspielerin, in dem sich das Kräfteverhältnis immer wieder verschiebt und die Grenzen zum nicht umsonst nach Sacher-Masoch benannten Sadomasochismus ausgelotet werden, kostet Venus in Fur genüsslich aus. Und Polanski, der mutmaßlich die eine oder andere eigene Erfahrung mit solchen Situationen hat, geht die Sache obendrein mit einer großen Portion Selbstironie an: der bestens aufgelegte Mathieu Amalric sieht jedenfalls aus wie jüngerer Wiedergänger seines Regisseurs, der in Polanskis Ehefrau Emmanuelle Seigner, die selten so gut war wie hier, ein mehr als ebenbürtiges Gegenüber findet.

Nicht nur in der Besetzung hat Polanski ein glücklicheres Händchen als vor zwei Jahren bei Carnage, wo er angesichts der Vorlage in lähmende Theatralik verfiel und der Dialogmasse kaum eigene Form zu geben vermochte. Auch dieses Mal ist unübersehbar, dass die Geschichte für die Bühne geschrieben wurde. Doch weil das Setting gleichzeitig Thema ist, fällt das weniger ins Gewicht. Abgesehen davon gelingt es ihm, die Begegnung seiner beiden facettenreichen Protagonisten mit so viel Tempo und Witz und - bei aller Intellektualität - gänzlich unverkopft zu erzählen, dass die Gefahr vom abgefilmten Theater kaum aufkommen kann.

29.04.2024

4

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Kommentare

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8martin

vor 10 Jahren

Polanski hat wieder einmal bewiesen, dass er einer der größten lebenden Regisseure ist. Was er hier mit den beiden Hauptdarstellern Emmanuelle Seigner (Vanda) und Mathieu Amalric (Thomas) in diesem Kammerspiel sich vor der Kamera abspielen lässt, ist Arthouse at its best, ist ein Blick in menschliche Abgründe. Ausgehend von Regisseur und Vorsprechtussi schlüpfen beide probeweise in zwei Rollen eines historischen Theaterstücks, das zu einer Reise in ihr jeweiliges Innenleben wird. Hier glänzt vor allem die Seigner, die von jetzt auf gleich in Tonfall und Habitus von einer kaugummikauenden, plollhaften Nachwuchsschauspielerein zu einer mondänen Dame der Gesellschaft des vorigen Jahrhunderts mutiert. Blitzschnell wechseln die Realitäten der Akteure mit den Dialogen des Stückes, ganz persönliches mit dem üblichen Theaterdonner. Und indem Vanda sich zur Domina und Göttin steigert und Thomas zum servilen Hündchen und Füßeküsser wird deutlich, dass es neben dem Lustgewinn beim Sex vor allem um Macht geht. Das macht der Rollentausch der Geschlechter deutlich, die völlige Selbstaufgabe geht mit der Unterwerfung bis zur totalen Verleugnung der eigenen Existenz. Und das bei witzig spritzigen Dialogen. (‘Und abends schaust du Arte und gehst schlafen und stirbst…‘) oder es wird mehrfach ‘Ambivalenz‘ mit ‘Ambiguität‘ verwechselt. Klar ist, dass bei Polanski die Frau als Siegerin die Manege verlässt. Selten ist ein Abspann so interessant wie hier, nachdem sich die Kamera zurückzieht d. h. die Anfangssequenz rückwärts läuft. Ein Geniestreich ohne den das Kino etwas ärmer wäre.Mehr anzeigen


Gelöschter Nutzer

vor 10 Jahren

professionelle Schauspielkunst, fesselnd, unterhaltsam, sehenswert.


nicco22

vor 10 Jahren

coool


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