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Viramundo - A Musical Journey with Gilberto Gil Frankreich, Schweiz 2012 – 95min.

Filmkritik

Musik als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln

Filmkritik: Eduard Ulrich

Gilberto Gil war lange Jahre ein erfolgreicher Musiker, bevor er von Präsident Lula zum Kultusminister berufen wurde. Gil hat seinen Ministersessel inzwischen geräumt und reist als mandatloser Musikbotschafter durchs riesige Brasilien und in andere Kontinente. Der Schweizer Regisseur Pierre-Yves Borgeaud durfte sich an seine Fersen heften und aufzeichnen, was ihm vor Kamera und Mikrofon kam. Entstanden ist das schlichte, aber berührende Porträt eines Musikers, der die Menschen liebt und dessen Herz für die Unterdrückten schlägt.

Die lateinamerikanische Musik umfasst ein breites Spektrum an Stilrichtungen und wird fast auf der ganzen Welt gern gehört. Der brasilianische Altmeister Gilberto Gil, Jahrgang 1942, ist eine ihrer prägenden Figuren und er knüpfte an den sozialkritischen Strang der westeuropäischen und nordamerikanischen Trivialmusik an, um Missstände in Brasilien anzuprangern. Zur Zeit der Militärdiktatur musste er sich deshalb zwei Jahre lang im Ausland in Sicherheit bringen. Früh schon engagierte er sich in der Politik, ohne dass dies seine Profimusikerkarriere bremste, aber als er 2003 von Präsident Lula zum Kultusminister berufen wurde, musste er seine Gitarre an den Nagel hängen; seit 2008 kann er sich wieder vollständig der Musik widmen. In einem Alter, in dem andere ihre Rente genießen, reist er durch Brasilien, um herauszufinden, ob seine Projekte zum Erfolg führten, und er besucht Musiker in Australien, Südafrika und auch in Brasilien, um gemeinsam zu musizieren und die Kraft der Musik im Widerstand gegen Unterdrückung zu erfahren.

Pierre-Yves Borgeaud bleibt mit seiner Technik und Equipe vollkommen im Hintergrund. Er reist mit, filmt die Begegnungen und nimmt die Gespräche auf, stellt aber nie eine Frage und spart sich auch jeglichen Kommentar - einzig Ortsnamen und Informationen zu Gils Begleitmusikern werden kurz eingeblendet. Ungefähr ein Viertel der Zeit ist den Auftritten gewidmet, die ausschnittsweise gezeigt werden und deren Musik in hoher Tonqualität zu hören ist. Trotz der improvisiert wirkenden Szenerie sind Bild- und Tonqualität auch sonst hoch. Erstaunlich, wie offen einige der GesprächspartnerInnen von ihren Erfahrungen als gesellschaftlich Ausgeschlossene erzählen. Beinah sensationell, dass die Kamera bei einem Ritual der australischen Ureinwohner dabei sein durfte. Beeindruckend, wie Gil offen für ihm unbekannte Musikstilrichtungen ist und jederzeit bereit ist, noch etwas zu lernen. Immer spürt man seine menschliche Wärme und seine echte Anteilnahme am Schicksal der Benachteiligten.

20.10.2020

4

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Kommentare

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gefuehlsmensch

vor 10 Jahren

Ich war dann irgendwann eingeschlafen. Aber das, was ich bis dahin sah, war nicht bewegend.


fanya

vor 11 Jahren

Visuell schön gestaltet. Die Erzählung ist zeitweise etwas langatmig. Aber Gilberto Gil ist ein Sympathieträger schlechthin.


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