A la vie Frankreich 2014 – 104min.

Filmkritik

Leben nach dem Überleben

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Auschwitz 1945. Hélène, Lili und Rose überleben den Todesmarsch und treffen sich im Sommer 1962 wieder. Die Wiedersehensfreude wird jedoch von der Vergangenheit überschattet. Jean-Jacques Zilbermann, inspiriert von den Erzählungen seiner Mutter, schuf eine wehmütige, gleichwohl lebensbejahende Tragikomödie.

Januar 1945. Die KZ-Häftlinge von Auschwitz werden auf den Todesmarsch geschickt. Hélène und Lili versuchen, ihre Gefährtin Rose mitzunehmen, und doch müssen sie die Kranke zurücklassen. Nach der Befreiung versucht Hélène, in ihrer Heimat Paris wieder Fuss zu fassen und ihre Leidensgenossin Lili ausfindig zu machen, die in Amsterdam lebt. Endlich gelingt im Sommer 1962 ein Treffen – im französischen Badeort Berck-sur-Mer am Atlantik. Zu Hélènes grosser Überraschung trifft auch die totgeglaubte Rose ein. Man freut sich, feiert und doch können die Schatten der Vergangenheit nicht verscheucht werden. Jede trägt ihr Päckchen, Keine führt ein glückliches Leben. Hélène hat mehr aus Mitleid denn aus Liebe den alten, nunmehr impotenten Liebhaber Henri zum Mann genommen. Lili eckt an und hat sich in die Einsamkeit manövriert. Rose aus Montreal trägt schwer am Familienbündel und der Vergangenheit.

Die drei Freundinnen sind in ihrem Leben gefangen. Allein Hèléne bietet sich die Chance, auszubrechen und sich einer Liebe hinzugeben, die sie vorher nie erfahren hat. Der junge Bademeister Pierre (Benjamin Wangermée), auch er ein verlorenes Kind, lässt die Überlebende neu aufleben.

Jean-Jacques Zilbermann, inspiriert von den Erzählungen seiner Mutter und ihren Freundinnen, verknüpft Fiktion und persönliche Geschichten. Die drei Frauen sind Realität und winken schalkhaft zum Schlussbild. Sie hätten jeweils einen Deportierten geheiratet, weiss der Autor und Filmer. "Sie waren wie Schwestern, und einmal im Jahr fuhren sie gemeinsam für ein paar Tage in die Ferien ans Meer, ohne ihre Männer und ihre Kinder." Seine Mutter und ihre Gefährtinnen leben nicht mehr.

Zilbermann erzählt von ihrer Freundschaft, ihrer Rückkehr und ihre Tragik. Seine wehmütige, gleichwohl lebensbejahende Tragikomödie beschreibt Vergangenheit und Verlust dieser Frauen, aber auch ihre Lebenslust. Ein intimer Liebesfilm und eine Hommage an die Überlebenden. Julie Depardieu, Tochter des gewichtigen Mimen Gérard Depardieu, imponiert als zarte, unschuldige Schneiderin Hèléne, die unerwartet ihr Glück findet. Auch Suzanne Clément als verschlossene, komplexe Rose, deren Wunden nicht verheilt sind, und Johanna Ter Steege als resolute Lili, die sich nicht auf der Nase herumtanzen lässt, spielen ihre Rollen wunderbar. Der Film im Stil der Sechzigerjahre hat etwas Betuliches, Behagliches, Liebenswürdiges – trotz dunkler Vergangenheit der Heldinnen. Er ist eine Ode an die Freundschaft und ans Leben

16.04.2024

4

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