Am Sonntag bist du tot Irland, Grossbritannien 2014 – 100min.

Filmkritik

Ein angekündigter Tod

Peter Osteried
Filmkritik: Peter Osteried

Ein Priester sitzt im Beichtstuhl. Er hört sich an, was sein Gegenüber zu sagen hat. Dann droht der Mann dem Priester. "Ich werde Sie töten, Vater", sagt er. "Ich werde Sie töten, weil Sie unschuldig sind." Aber nicht sofort, erst am nächsten Sonntag. Was bis dahin passiert, untersucht Calvary. Der Titel – das englische Wort für Golgotha, der Hügel, auf dem Jesus starb – lässt erahnen, in welche Richtung John Michael McDonagh seinen Film treibt.

Ein Priester ist an sein Beichtgeheimnis gebunden, weswegen er die Polizei nicht verständigen kann. Sieben Tage bleiben ihm noch, um sein Leben in Ordnung zu bringen, um seinen Frieden mit seiner Tochter zu schließen, um sich um seine Gemeinde zu kümmern. Ja, er könnte fliehen, er ist sogar versucht, es zu tun, aber wie Jesus ist auch ihm bewusst, dass er sich dieser Prüfung nicht entziehen kann. Sein Glauben ist stark, aber wie lebt ein Mann, dessen Tage gezählt sind? So wie er es als Priester immer getan hat – einen Tag nach dem anderen, auf Gott vertrauend.

In ihrer zweiten Zusammenarbeit nach The Guard konzentrieren sich John Michael McDonagh und Brendan Gleeson auf eine weit düsterere Geschichte, die zwar nicht frei von Humor ist, der aber ausgesprochen grimmig und bitter daherkommt. McDonagh gestaltet die Gemeinde des Priesters als einen Mikrokosmos der Verderbtheit. Der Priester ist der einzig Aufrechte, und muss darum sterben, weil der Tod eines korrumpierten Klerikers niemanden aufrütteln würde. So die Theorie des Mörders-in-spe. Gleesons Figur wiederum wird nicht verklärt. Der Priester ist kein makelloser Mann, er hat in seinem Leben Fehler gemacht, aber er ist anständig und integer – bis hin zur Selbstaufgabe.

McDonagh stellt in seinem Film das System organisierter Religion in Frage, nicht jedoch die Güte des Menschen, auch wenn es in dieser irischen Kleinstadt nur noch wenige gibt, die den Glauben an das Gute im Menschen befeuern. Er hätte auch Sodom und Gomorrha als metaphorischen Titel verwenden können, die Aussagekraft wäre gleich gewesen, Golgotha kommt jedoch mit einem Hauch der Hoffnung daher. Nicht die Hoffnung auf ein zweites Leben, sondern jene, dass Taten mehr als Worte auszurichten vermögen und das Opfer eines Mannes ein Leuchtfeuer der Inspiration sein kann. Ohne zu predigen, besitzt der Film eine Botschaft, der man sich nur zu gerne anschließt.

Calvary ist ein Film mit rabenschwarzem Humor, schlau, emotional packend, aber auch unendlich grimmig. Keine leichte Kost, aber der vielleicht lohnendste Kinobesuch, den man sich in diesem Jahr gönnen kann.

22.04.2024

5

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Kommentare

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Schlosstaube

vor 9 Jahren

Gar nicht mein Film!


Barbarum

vor 9 Jahren

Nun gut, ich persönlich habe Filme gerne etwas unterhaltsamer oder sagen wir erzählerischer. Dieser Film aber ist mehr eine philosophische Abhandlung über Themen wie Religion, Schuld, Vergebung, Leben und Tod, So hat für mich zum Schluss einfach etwas gefehlt. Trotzdem respektiere ich die Filmemacher für den Denkanstoss.Mehr anzeigen


Gelöschter Nutzer

vor 9 Jahren

Kongeniales Kino mit einem super Filmende, das zum Nachdenken anregt!


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