Geronimo Frankreich 2014 – 105min.

Filmkritik

Romeo und Julia in der Hitze Frankreichs

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Ein Roma "entführt" eine Türkenbraut. Das weckt Ehr- und Rachegefühle bei den jeweiligen Clans. Eine die Sozialarbeiterin versucht zu schlichten. Das hitzige Drama des Franzosen Tony Gatlif erinnert stark an das Musical "West Side Story".

Ein hitziger August in Südfrankreich. Eine Braut hetzt im Hochzeitskleid durch die Gassen und wird von einem Motorradfahrer aufgegabelt: Der Roma Lucky Molina hat die 16-jährige Türkenbraut Nil Terzi "entführt", die mit dem älteren Tarik verheiratet werden sollte. Das weckt den Zorn und die Gewaltbereitschaft der beiden Clans.

Die türkischen Terzis wollen die Braut zurückholen und den Liebhaber bestrafen. Während die älteren Clanmitglieder vor Gewalt warnen, sind der betrogene Bräutigam Tarik (Tim Seyfi) und der hitzköpfige Fazil (Rachid Yous), Nils jüngerer Bruder, nicht zu bremsen. Sie machen Jagd auf das flüchtige Liebespaar. Lucky Molina (David Murgia) wie auch der Zigeuner Nil (Nailia Harzoune) rennen blind in ihr vermeintliches Glück und erleben einige glückliche Liebesmomente, bis sie die blutige Realität erkennen müssen.

Die Sozialarbeiterin Geronimo (Celine Sallette) verhilft dem Liebespaar zu einem Versteck. Sie versucht zu schlichten und ein Blutbad zu verhindern. In einer Art Dance-Battle treten die jungen Gefolgsleute der Terzis und Molina in einer Fabrikhalle an. Flamenco-Stakkato (mit Flamencotänzerin Prado Jimenez), Breakdance und drohende Männerposen – der Vulkan steht vor dem Ausbruch. Als dann Alex, ein etwas beschränkter Penner, der vorgibt, Nil zu schützen, einen Revolver ins Spiel bringt, ist das Desaster nicht mehr aufzuhalten. Der gute Engel Geronimo wird selbst zum Opfer. Tröstlich für Kinozuschauer ist immerhin, dass dieses Drama am Ende keine Shakespear’sche Züge annimmt.

Tony Gatlif, Schauspieler, Autor, Produzent und Regisseur mit algerischen Roma-Wurzeln, entfacht ein heissblütiges Melodrama im Süden Frankreichs. Natürlich spielt das Romeo-und-Julia-Motiv eine starke Rolle. Doch noch näher steht das Liebesdrama Geronimo dem Musical West Side Story, 1961 in Szene gesetzt von Robert Wise und Jerome Robbins. Statt New York ist der Schauplatz ein öder Flecken Südfrankreichs. Neu in dieser Auseinandersetzung verschiedener ethnischer Gruppen ist die Gestalt Geronimos. Sie verzweifelt an der eskalierenden Gewalt und setzt sich selbstlos ein.

Gatlif macht Hoffnung, dass eine Versöhnung möglich ist, wenn auch realistisch gesehen eher unwahrscheinlich. Sein Drama packt und zeigt den Wahnsinn eines so genannten Familien-Ehrenkodex. Das Finale in einem halb zerfallenen Sprayer-Hallenkomplex steigert sich zum Showdown, in dem Fazil zum Tier wird. Starker Stoff.

19.02.2024

4

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Kommentare

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Maya.Wamister

vor 10 Jahren

Ein ganz starker Film, wo man den Hass spürt und sieht und es brodelt, dass es Angst macht! Man sieht die Gewalt kommen, doch das wird mit Musik und Dance gezeigt, wahnsinnig!


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