Human Frankreich 2015 – 190min.

Filmkritik

Der Erde und den Menschen zuliebe

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Der phänomenale Film des französischen Fotografen Yann Arthus-Bertrand hat einen langen Weg hinter sich, bis er zu uns kam. Es geht um kein geringeres Thema als Menschsein – um Leben, Sinn und Existenz. Der Filmer hat in über 60 Ländern mit 2020 Menschen Gespräche geführt und in sein Bildwerk einfliessen lassen. «Kommentiert» werden die Geschichten, Aussagen und Befindlichkeiten der Menschen mit meisterhaften Luftaufnahmen. Ein engagierter, denkwürdiger Dokumentarfilm.

Ein Meer, Schneehügel, eine Wüste? Die Kamera fährt über eine bizarre Landschaft, die sich nach einiger Zeit als grandiose Sandformation entpuppt, auf deren Spitze sich eine Karawane bewegt. Es sind diese Luftaufnahmen (Yazid Tizi), welche den Zuschauer anziehen und innehalten lassen. Der Blick taucht ein – in einen Strom mit Verästelungen, Menschenmassen, in ein Meer von Hütten, Dünen, aber auch Müllhalden. Bilder der Erde, die Geschichten andeuten, erzählen. Es sind keine Illustrationen, sondern Bildzeugnisse der Erde. Dabei werden fundamentale Fragen aufgegriffen. Menschen allen Alters, aller Hautfarben, aller Herkunft geben Antworten, formulieren ihre Erkenntnisse, ihre Geschichten, Wünsche, Ziele, Hoffnungen. Fragen nach Frausein, Liebe, Besitz oder Geld, nach Hunger, Armut, Glück oder Tod, nach dem Sinn des Lebens.

Yann Arthus-Bertrands Film schuf kein Pamphlet oder Lehrstück, kein Panoptikum mit Zeugen, sondern setzt ein Kaleidoskop, ein Meer von Mahnzeichen. Er gibt den Menschen und der Erde eine Stimme, will Wachrütteln durch Hören und Schauen. «Ich träumte davon, einen Film zu machen, in dem die Kraft der Worte nachhallt und sich wiederspiegelt in der Schönheit der Erde», bemerkte der Spezialist für Luftaufnahmen. «Der Film transportiert die Stimmen der Männer und Frauen, die ihre Geschichten erzählen. Es sind ihre Botschaften. Mein Wunsch ist es, dass jeder den Film auf eigene Weise nutzen kann.» Warum führen Menschen Krieg, was wiederfährt ihnen? Das Team um Arthus-Bertrand reiste Israel und Palästina, Syrien und Kambodscha oder in die USA, befragte Beteiligte, Veteranen, Opfer. Sie sprechen direkt in die Kamera, ziehen uns mit rein. Wir erfahren wenig bis nichts über Umstände und Hintergründe der Menschen, die sich äussern, sie sprechen für sich, ohne sich preiszugeben. Der Film schliesst politische Töne nicht aus, ist aber durch und durch von humanitären Ideen und Zielen geleitet. Der Ex-Präsident Uruguays, José Mujica, etwa macht darauf aufmerksam, dass man nicht Zeit fürs Geldverdienen verschwenden sollte, um Konsum zu befriedigen, denn damit man verschwende man nur die Zeit seines Lebens. «Human» regt an und auf, zeigt Gegensätze Ausbeutung und Reichtum, Kummer und Zufriedenheit, Mensch und Natur. Der Film sucht nach Erkenntnissen, Bedürfnissen, Weisheiten. Die hier vereinigten Worte und Bilder (Chefkameramann Bruno Cusa) sind Zeugnis und Mahnmal zugleich, bewegend und bezeichnend. Im Kino sind die zweieinhalb Stunden Menschheitsreise keine Minute zu lang. Es existieren auch Fassungen mit 191 oder 143 Minuten (Theatrical Movie) sowie 131 Minuten (TV-Fassung).

03.04.2024

5

Dein Film-Rating

Kommentare

Sie müssen sich zuerst einloggen um Kommentare zu verfassen.

Login & Registrierung

thomasmarkus

vor 7 Jahren

Sehr dicht, bildgewaltig, erzählfreudig das lätze Wort. Zu intensiv fast, dass ich gegen Ende fast erschlagen war (und aufs Ende wartete ;-) )


Mehr Filmkritiken

Typisch Emil

Hölde - Die stillen Helden vom Säntis

Tschugger - Der lätscht Fall

Sauvages - Tumult im Urwald