Mia madre Frankreich, Deutschland, Italien 2015 – 106min.
Filmkritik
Ausser Rand und Familienbande
Wenige Filmemacher bringen so offen – und offensiv – sich selbst und ganz persönliche Erfahrungen in ihre Arbeit ein wie Nanni Moretti. Auch Mia Madre, der abermals seine Weltpremiere im Wettbewerb von Cannes feierte, stellt diesbezüglich keine Ausnahme dar. Zwar hat der Italiener selbst vor der Kamera dieses Mal nur eine Nebenrolle übernommen. Doch dass er mit diesem Film unter anderem den Verlust der eigenen Mutter verarbeitet, die vor fünf Jahren während des Drehs zu Habemus Papam starb, ist nicht zu übersehen.
Genau wie Morettis Mutter ist auch die im Film im Sterben liegende Alte (Giulia Lazzarini) Lateinlehrerin gewesen. Im Zentrum von Mia Madre steht nun allerdings nicht ihr Sohn, den Moretti selbst als Inbegriff von Güte und Verständigkeit spielt, sondern ihre Tochter Margherita (Margherita Buy), ihres Zeichens Regisseurin und mit der Arbeit an einem neuen, sozialkritischen Film beschäftigt. Den Job mit regelmäßigen Besuchen unter einen Hut zu bekommen, ist für sie schwierig genug. Doch dass dazu auch noch eine Teenager-Tochter (Beatrice Mancini), eine zu Ende gehende Beziehung, eine kaputte Waschmaschine und obendrein ein eigens aus den USA eingeflogener, des Italienisch nur bedingt mächtiger und ohnehin nicht allzu fähiger Hollywoodstar namens Barry Huggins (John Turturro) kommen, droht allerdings ihr Leben komplett aus den Fugen geraten zu lassen.
Überzeugend wie lange nicht verknüpft Moretti in Mia Madre Humor und Ernst. Turturro als schauspielerisch-exzentrische Nervensäge ist umwerfend komisch und droht immer wieder – bewusst oder unbewusst – den kompletten Film an sich zu reißen. Irrwitzige Tanzeinlage und mangelnde Autofahrkenntnisse inklusive! Und die Geschichte des drohenden familiären Verlustes erzählt er derart ehrlich und berührend, dass nie daran zweifelt, wie viel dem Regisseur dieser Film persönlich bedeutet.
Mit seiner Protagonistin, die natürlich unschwer als sein Alter Ego auszumachen ist, hat er sich und vor allem seinen Kolleginnen allerdings keinen Gefallen getan. Margherita wird – obwohl doch angeblich eigentlich erfolgreich – als derart weinerlich, überfordert und am Rande des Nervenzusammenbruchs gezeigt, dass es fast fahrlässig ist. Wer dank Webseiten wie shitpeoplesaytowomendirectors.tumblr.com weiß, welches Bild männliche Produzenten gerne von Frauen hinter der Kamera zeichnen, darf sich über Mia Madre jedenfalls gepflegt ärgern. Und sich wundern, dass diese französischen Filmkritiker in den Cahiers Du Cinéma ausgerechnet diesen Film zum besten des Jahres 2015 gewählt haben.
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