Die Poesie des Unendlichen Grossbritannien 2015 – 108min.

Filmkritik

In Zahlen verliebt

Urs Arnold
Filmkritik: Urs Arnold

So unkonventionell wie der Geist seines Hauptprotagonisten ist The Man Who Knew Infinity keineswegs gefertigt. Jeremy Irons zuzuschauen ist jedoch eine Freude.

Man schreibt das Jahr 1914. Die gescheiten Herren am englischen Trinity College, an dem einst Newton studierte, stehen vor einer grossen Herausforderung: Wie spricht man den Namen Srinivasa Ramanujan genau aus? Die meisten von ihnen fragen sich ohnehin, was dieser junge Mann aus der britischen Kolonie Indien hier zu suchen hat. Die Antwort: Sein mit Formeln gefüllter Brief hat die Mathematikprofessoren Hardy (Jeremy Irons) und Littlewood (Toby Jones) verblüfft.

Ramanujan, gespielt von Slumdog Millionaire-Hauptdarsteller Dev Patel, brachte für die Aussicht, seine Theorien zu publizieren, ein grosses Opfer. Seine geliebte Frau und seine Mutter liess er zurück im indischen Madras. In England jedoch hält Hardy die Zügel vorerst straff: Er fordert vom Wunderknaben die unauffällige Einordnung im Studiensystem und Beweise für die Theorien. Ramanujan, der Mathematik intuitiv praktiziert, tut sich nicht nur damit schwer. Auf menschlicher Ebene fühlt er sich zunehmend isoliert; selbst Mentor Hardy wahrt Distanz. Dieser ist überzeugt: Wenn Ramanujan den Respekt der gesamten Körperschaft erlangen kann, dann nur durch einen Geniestreich.

Die Filmgeschichte ist voll von thematischen Clusterbildungen. Als Beispiel seien etwa all die Atom-GAU-Filme genannt, die nach dem Erfolg von The China Syndrome Ende der Siebziger Jahre entstanden. «Mathematikerwelle» könnte man die derzeitige Konzentration von Werken nennen, in denen die Geschichten von Superhirnen mal mehr und mal weniger akkurat nacherzählt werden: Stephen Hawking und Alan Turing standen im Mittelpunkt von The Theory of Everything bzw. The Imitation Game, und nun der Autodidakt Srinivasa Ramanujan in diesem Film.

Wie bei erstgenanntem Werk ist auch bei The Man Who Knew Infinity eine weit geöffnete Schere zwischen Hauptperson und Umsetzung ausmachbar. Sprich: Ein genialer Querdenker mit revolutionären Theorien wird in einen äussert konventionell gefertigten Film eingepasst. Regisseur Matt Brown erlaubt sich keinerlei Mätzchen, und überlässt den Hauptdarstellern das Feld, ein Schachbrett irgendwie in einen Picasso umzugestalten.

Dev Patel spielt dabei solide, in den Möglichkeiten des Skripts. Es ist letztendlich Irons, der diesen Film ein Stück weit der Beliebigkeit entreissen kann. Als Engländer, Atheist und bindungsschwacher Mensch ist er der genaue Gegenentwurf zu seinem genialen Ziehsohn. Irons verleiht dieser verkrusteten Person Ausstrahlung, Noblesse, und gegen Ende zu auch ein Herz.

19.02.2024

3

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Kommentare

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DonMaro

vor 8 Jahren

Tolles Biopic mit hervorragenden Schauspielern


as1960

vor 8 Jahren

"The Man Who Knew Infinity" ist das charmante Biopic eines indischen Mathe-Genie, der um Anerkennung zu finden nach Grossbritannien reist und alles zurücklassen muss. Ein Geniestreich ist der Film nicht. So lebt die Geschichte von den gegensätzlichen Charakteren. Auf der einen Seite der junge, emotionale, tiefgläubige Inder. Auf der anderen Seite der rationale, bindungsfremde, kühle Brite. Genial dargestellt von Dev Patel ("Slumdog Millionaire") und Jeremy Irons entsteht zwischen den 2 unterschiedlichen Männern eine spezielle Freundschaft. Fazit: Kein Film für die Ewigkeit, aber allemal berührend, und man lernt eine wichtigen Mathematiker kennen, der einer breiten Öffentlichkeit wohl kaum bekannt sein dürfte.Mehr anzeigen


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