Das Sterben und Leben des Otto Bloom Australien 2016 – 84min.
Filmkritik
Zeit ist relativ
Die Mockumentary The Death and Life of Otto Bloom nimmt einen mit auf eine Reise der Vorstellungskraft: Was, wenn Zeit nur relativ ist? Der Fall des Otto Bloom deutet nämlich darauf hin: Er erlebt Zeit rückwärts – die Vergangenheit ist für ihn die Zukunft und alles was sich für uns in der Zukunft abspielt, hat er schon längst erlebt. Ein spannendes Gedankenexperiment, das vom Zuschauer einiges an Phantasie erfordert.
Zwar vergessen wir Menschen die meisten Details unserer Vergangenheit - und doch bleibt vieles in unserem Gedächtnis hangen. Nicht so bei Otto Bloom (Xavier Samuel): Er altert zwar ebenso wie ein normaler Erdenbürger, erlebt die Zeit aber rückwärts. So kann sich der junge Herr nicht mehr an das erinnern, was er zuvor gesagt hat – wohl aber daran, was er in Zukunft sagen wird. Das zieht natürlich neben der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auch das Interesse der Forschung auf sich: Otto Bloom wird ein Fall für die Wissenschaft. Genauer gesagt ein Fall für die junge Psychiaterin Ada (Matilda Brown) - sie entdeckt Otto Bloom, nähert sich ihrem Studienobjekt immer mehr an und verliebt sich schlussendlich unsterblich in ihren Probanden.
Dummerweise kann diese intensive Romanze nicht lange gut gehen: Der junge Herr kann sich zwar an keines der erotischen Treffen mit seiner Betreuerin erinnern, weiss dafür aber schon genau, wann die Beziehung zu Ende sein wird. In einer fiktiven Doku wird der Zuschauer mitgenommen auf eine philosophische Reise durch den Tod uns das Leben des Otto Bloom: Aus der Retrospektive erzählt eine gealterte Version der grossen Liebe Ada (Rachel Ward), ein Astrophysiker, ein Philosoph und ein Musikproduzent – manchmal ernst, manchmal herrlich selbstironisch - vom Aufstieg und dem Fall des Mannes ohne Gedächtnis. Die Aufnahmen aus Ottos Leben sind dabei in einem stylischen Retro-Look gehalten; das ist wohl dem britisch-australischen Regisseurs Cris Jones zuzuschreiben, der sich bisher mit Musikvideos und Kurzfilmen einen Namen gemacht hat und mit The Death and Life of Otto Bloom nun sein Regiedebut wagt. Die Idee zum Projekt kam Jones, als er auf einen Brief Albert Einsteins an die Familie eines verstorbenen Freundes stiess: Darin tröstet der legendäre Physiker mit den Worten, dass Zeit bloss eine Illusion sei.
Auf Einstein wird in der Pseudo-Doku dann auch verwiesen. Wenn Zeit eine Illusion ist, dann ist auch der Tod blosse Einbildung. Obwohl die Verweise auf physische Zusammenhänge natürlich nicht wirklich fundiert sind: Die Botschaft hat etwas – und die philosophische Komponente macht das Drama überraschend unerwartet. Damit ist The Death and Life of Otto Bloom sicherlich nichts für Kinogänger mit der Erwartung eines leichten Unterhaltungsfilms und ebenso wenig für jene, die eine Geschichtslektion mit wissenschaftliche Erkenntnissen bevorzugen – blickt man mit viel Vorstellungsvermögen aber hinter die Fassade des philosophischen Konstrukts und nimmt man den Film nicht allzu ernst, entfaltet sich eine ungewöhnliche und wunderschöne Liebesgeschichte – und ein Denkanstoss für die Zukunft. Oder für den Fall, dass Zeit wirklich relativ ist wohl eher für das Hier und Jetzt.
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