Casting Deutschland 2017 – 91min.
Filmkritik
Drehmomente
Es gibt viele großartige Schauspieler auf der Welt, doch mitunter scheint es so, als ob man immer nur die gleichen Gesichter in den Produktionen sieht. Klar, berühmte Namen ziehen bekanntlich Publikum, aber ob die immer die ideale Besetzung für die jeweilige Rolle sind, ist fraglich. Doch vor dem Dreh kommt je bekanntlich das Casting, da müssen auch die Topstars durch. Aber wie läuft so was eigentlich ab?
Ein altes Sprichwort besagt ja, dass man nicht dabei sein möchte, wenn Wurst oder Gesetze gemacht werden. Und scheinbar sollte das auch für Besetzungsentscheidungen gelten, zumindest wenn man Nicolas Wackerbarths neuem Film Casting Glauben schenkt. Denn in diesem Epizentrum von Macht, Ohnmacht und Abhängigkeit zeigt sich die unglamouröse Seite der Filmbranche. Allerdings ist das als Außenstehender unglaublich unterhaltsam anzusehen.
Bei Casting ist der Titel Programm: Eine Regisseurin arbeitet an einer Neuverfilmung von Fassbinders „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“ und sucht nach der idealen Besetzung für die Hauptrolle. Alle Anwärterinnen auf die Rolle müssen mit Gerwin (fulminant: Andreas Lust), der als Anspielpartner für die Probeaufnahmen fungiert, eine Szene als Test durchspielen. Doch insgeheim hofft der seit Jahren erfolglose Gerwin, selbst eine Rolle zu ergattern...
Casting ist das, was man gemeinhin ein „cineastisches Kleinod“ nennt: Selten war der Blick hinter die Kulissen so unterhaltsam wie hier und selten wurden Meta-Film und Komödie so geistreich miteinander verknüpft. Genüsslich stochert Regisseur Nicolas Wackerbarth in den Wunden der deutschen Fernsehlandschaft, er nutzt die angespannte Atmosphäre am Set, um Eitelkeiten und Neid zu entblößen und Irrwege der Produktionen zu offenbaren.
Dies ist insofern erstaunlich, da der Film eigentlich für das Fernsehen produziert wurde und ohne detailliertes Drehbuch entstanden ist. Dass dieses Experiment geglückt ist, liegt neben der konzentrierten Regie und dem pointierten Schnitt vor allem an der großartigen Besetzung, die als Ensemble hervorragend ineinandergreift und deren Freude an der Improvisation und Leidenschaft für diesen Film permanent spürbar ist. Und zugleich ist Casting mehr als ein Film übers Filmemachen, es ist eine Liebeserklärung an die Schauspielerei, an die Freiheit der Kreativität und, trotz allem Humor, eine kluge Kritik an der grassierenden Mutlosigkeit innerhalb der aktuellen Filmlandschaft.
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