In Zeiten des abnehmenden Lichts Deutschland 2017 – 101min.

Filmkritik

Die Stunde der Verlierer

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Herbstdämmerung in der DDR. SED-Parteigenosse Powileit wird 90 Jahre alt und gefeiert. Doch das Fest wird zur Farce und zum Abgesang auf eine marode Familie und ein abgewirtschaftetes System. Mittendrin in diesem tragikomischen Kammerspiel agiert Bruno Ganz grandios als sarkastischer Jubilar.

Da steht er nun und kann nicht anders, der Jubilar Wilhelm Powileit (souverän und grandios gespielt von Bruno Ganz). Der alte SED-Parteigenosse wird 90 Jahre alt und soll entsprechend parteikonform und familiär gefeiert werden. Doch der grantelnde Jubilar hat keinen Bock auf diese Rituale und kommentiert anfallende Geburtstagssträusse mit Sarkasmus: «Bringt das Gemüse auf den Friedhof!» Doch die aufgebotenen Parteibonzen, der für ein Ständchen aufgebotene Chor der Pioniere lassen sich nicht aufhalten. Der unausstehliche Geburtstagsgreis, hellwach und wissend, erträgt es mit zynischen Kommentaren.

In seiner Ostberliner Villa haben sich – notgedrungen - auch Verwandte und Bekannte eingefunden. Natürlich seine Frau Charlotte (Hildegard Schmahl), sein Sohn Kurt (Sylvester Groth) und seine alkoholisierte Frau Irina (Evgenia Dodina) sowie Schwiegertochter Melitta (Natalia Beliski). Nur einer fehlt, Enkel Sascha (Alexander Fehling), Kurts Sohn hat sich in diesem Herbst 1989 aus dem Staub gemacht – in den Westen. Doch bis das an diesem Abend rauskommt, ist vieles aus dem Ruder gelaufen, sind Fassaden gebröckelt, kommen prekäre Verhältnisse ans Licht. Es schlägt die Stunde der Verlierer. Nicht nur dieser vermeintlich private Festakt scheitert, sondern ein ganzer Staat und ein sozialistisches System à la DDR. Der Roman «In Zeiten des abnehmendes Lichts» (2011) von Eugen Ruge spiegelt in der Familiengeschichte die Entwicklung der DDR. Der Titel bezieht sich auf die Zeit der Kartoffelernte, dem Herbst. Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase und Regisseur Matti Geschonneck konzentrieren sich auf einen Abend vor dem Fall der Berliner Mauer 1989. Sie haben sich vom umfassenden Roman gelöst und bündeln quasi die Schicksale, die drei Generationen umfassen, lassen sie an diesem Abend auflaufen, sich entladen. Es ist wie der Mauerfall im Rahmen einer Familie, in der sich eben auch der Verfall der DDR wiederspiegelt. Die Veränderung ist nicht aufzuhalten.

Mit Liebe zum Detail und zu den Figuren haben Geschonneck und seine Crew diesen Moment des Niedergangs, der Auflösung und Zerrüttung gebannt – in einem Kammerspiel mit tragischen und komischen Nuancen. Als Produzent wirkte übrigens Oliver Berben, der Sohn der bekannten Schauspielerin. Da stimmt jede Kleinigkeit, jede Geste. Getragen und realisiert von einem einem grossartigen Ensemble – vom zerknitterten Sylvester Groth als leidenden Mitwisser bis zu Bruno Ganz als Jubilar mit Durchblick, der um das Platzen einer Illusion weiss. Ein packendes und konzentriertes Kinostück, das in seiner Art an das britische Beispiel The Party, ebenfalls mit Bruno Ganz, erinnert.

20.02.2024

5

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Kommentare

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dinki17

vor 7 Jahren

Bruno Ganz spielt seiner Rolle als Familienpatriarch mit Bravour. Auch die anderen schauspielerischen Leistungen überzeugen. Der Film war mir aber insgesamt etwas zu sehr in die Länge gezogen. Die Stimmung in der Familie spiegelt die Stimmung der Situation in der damaligen DDR. Das Thema ist ernst, aber gerade darum hätte ich mir gewünscht,, dass man den Film mit mehr Humor gewürzt hätte.Mehr anzeigen


samuel450

vor 7 Jahren

Dieser Film ist einfach eine Wucht. Er schafft es hervorragend anahand einer Familiengeschichte die Untergangsstimmung in der DDR 1989 aufzuzeichen. Überragend ist einmal mehr Bruno Ganz. Ihm gelingt es die Hauptfigur so zu verkörpern, das sie für mich liebenswürdig, lustig aber auch schrechklich brutal wirkt. Ich wusste während des ganzen Filmes nicht, ob ich diesen Typen hassen oder lieben soll.Mehr anzeigen


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