Longing Israel 2017 – 103min.
Filmkritik
Der unbekannte Sohn
Das Drama Longing erzählt die unkonventionelle Geschichte eines Vaters, der in das frühere Leben seines verstorbenen Sohnes eintaucht. Der Film bietet gelungene Ansätze und erfrischende Darsteller, macht es einem aber auch nicht immer leicht. Hauptgrund: die schwer greifbaren Figuren.
Ariel (Shai Avivi) trifft erstmals nach 20 Jahren seine frühere Freundin (Asi Levi). Sie eröffnet ihm, dass sie damals, als sie sich trennten, schwanger von ihm war. Da Ariel aber nie Kinder wollte, erzählte sie ihm nichts davon. Doch damit nicht genug: Der Junge kam vor zwei Wochen bei einem Unfall ums Leben. Für Ariel ein Schock, da er jetzt keine Möglichkeit mehr hat, ihn kennenzulernen. Er begibt sich auf Spurensuche um herauszufinden, wer sein Sohn war.
Der israelische Regisseur Savi Gavison konnte bisher für drei seiner Werke den israelischen Oscar (Ophir Award) gewinnen. Longing gewann den Preis letztes Jahr für das beste Drehbuch. Mehrfach mit dem Ophar Award prämiert wurde bislang auch Schauspielerin Asi Levi, die als Ariels Ex-Freundin zu sehen ist.
Longing verliert keine Zeit und manövriert den Zuschauer ohne Umschweife direkt ins Geschehen. Die Verblüffung steht Ariel ins Gesicht geschrieben, als er – gleich in der ersten Szene – von den „Neuigkeiten“ erfährt. Hauptdarsteller Shai Avivi gelingt es, sein Gefühlschaos und die innere Verunsicherung für den Zuschauer glaubhaft nach außen zu kehren. Überhaupt funktioniert bei ihm Vieles über das facettenreiche, ausdrucksstarke Spiel mit Gestik und Mimik. Und das nicht nur in diesen ersten Minuten, sondern während des gesamten Films.
In der Folge begibt sich Ariel auf eine Reise in das frühere Leben des Sohnes. Er besucht dessen Schule, die Eltern seiner Freundin und nimmt Kontakt zu jener Lehrerin auf, in die der Junge unsterblich verliebt war. Dabei ist es durchaus spannend mit anzusehen, wie Ariel immer mehr über den Verstorbenen erfährt und sich so allmählich ein Bild von dessen (möglichem) Wesen und Charakter ergibt. Das Problem dabei: Der Verstorbene bleibt einem seltsam fremd. Denn allzu widersprüchlich sind die Dinge, die über ihn bekannt werden.
Einerseits war er ein emotionaler Mensch, ein talentierter Pianist und ein begnadeter Verfasser von Liebesgedichten (an die Lehrerin). Aber er hatte auch Schulden aus Drogengeschäften, flog von der Schule und stalkte seine Lehrerin. Schwer greifbar und in ihrem Verhalten oft fragwürdig sind zudem einige Nebenfiguren. Etwa Ariels Ex, die ihm 19 Jahre lang nichts vom gemeinsamen Sohn erzählt hat. Ihre Entscheidung, Ariel dann aber ausgerechnet kurz nach dem Tod des Jungen zu kontaktieren, ist nicht nur schwer nachvollziehbar, sondern zeugt auch noch von wenig Feingefühl.
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