The Guilty Dänemark 2018 – 85min.
Filmkritik
Ist nicht jeder ein bisschen schuldig?
„Show, don’t tell“ lautet die oberste Regel eines jeden Films. The Guilty hebelt diese Regel jedoch auf brillante Art und Weise auf. Denn hier gibt es nichts zu sehen – ausser das eindringliche Schauspiel von Jakob Cedergren, auf dem die Kamera fast durchgehend in Grossaufnahme verharrt.
Asger leistet Dienst in der Notrufzentrale, als die junge Frau Iben anruft. Sie ist entführt worden, befindet sich in einem Auto und hat keine Ahnung, wo es hingeht. Dann wird die Verbindung unterbrochen. Asger setzt alles daran, herauszufinden, wo Iben ist, und ihr zu helfen. Je länger sich die Situation hinzieht, desto drängender und gefährlicher wird sie, weil auch immer undurchsichtiger wird, was gerade vor sich geht. Für Asger, dessen Leben selbst aus dem Ruder zu laufen droht, wird der Einsatz zur hochemotionalen Tour de Force, bei der er nur noch ein Ziel verfolgt: Ibens Leben zu retten.
In Echtzeit erzählt, ist The Guilty ein extrem intensiver Film, der von seiner Wirkungsweise einem Buch ähnlich ist. Denn ebenso wie die Hauptfigur erfährt man nur über das Telefon, was sich tut und wie sich dieser Fall entwickelt. Während man eine Beziehung zu den Menschen aufbaut, mit denen Asger spricht, malt die eigene Phantasie aus, was diesen gerade passiert. Und wie Asger ist man sehr schnell sicher, dass man weiss, was sich hier abspielt. Aber wenn man nur das hat, was man hört, und sich den Rest ausmalen muss, dann kann es die eigene Phantasie sein, die einem einen Streich spielt. Weil die Figuren so aussehen, wie man sich das vorstellt – und das wiederum stärkt die Wahrnehmung dessen, wie sich diese Geschichte entwickelt.
Ein Film wie The Guilty könnte sehr leicht scheitern, dieses Kammerspiel ist jedoch in seiner Intensität imposant. Weil man miterlebt, wie sich die Menschen entwickeln, mit denen Asger spricht – mehr aber noch, weil er eine Entwicklung durchmacht, die eindringlich ist. Die volle Klaviatur der Gefühle wird hier bedient. Man bangt mit, man ist traurig, wütend, frustriert.
The Guilty – der Titel ist feinsinnig, wie sich im Verlauf der Geschichte zeigt – ist ein Meisterwerk, das eine Übung in Sachen Minimalismus ist, aber zeigt, wie wenig es braucht, um den Zuschauer voll und ganz in den Bann zu ziehen: Ein exzellentes Skript, einen gewieften Regisseur und einen mutigen Schauspieler, der die Herausforderung meistert, praktisch alleine im Fokus der Geschichte zu stehen. Der mehrfach auf Festivals preisgekrönte Thriller ist ganz grosses Kino, das den Zuschauer wie kaum ein anderer Film involviert.
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Kommentare
Ganz seltene Film Kost aus Dänemark. Ein spannendes Ein-Personen-Stück! Der Beamte Asger (Jakob Cedergren) hat Dienst in der Notrufzentrale der Polizei. Es ist eine Strafversetzung, weil gegen ihn ermittelt wird. Er hatte einen jungen Gewaltverbrecher ohne Not erschossen. Wir sehen ihn fast ausschließlich während der ganzen 85 Minuten. Durch immer wieder abgebrochene, dann fortgesetzte Telefonate erfährt Asger von einer Familientragödie. Je nach Informationsstand wird eine Mutter von zwei Kindern von ihrem Ex entführt. Asger entwirrt die etwas konfuse Situation, in der Mutter Iben anfangs nur Opfer ist. Er gibt ihr noch Tipps, wie sie sich gegen den gewalttätigen Ehemann Michael befreien kann. Die kleine Tochter Mathilde schildert eine ganz andere Lage der Familie. Sie ist zuhause allein mit ihrem kleinen Bruder. Durch geschickte Fragestellungen klärt Asger sich und die Zuschauer nach und nach immer mehr auf. Da ist Blut an Mathildes Händen, Iben wirkt orientierungslos. Immer neue Fragen werden durch die sich ständig ändernde Situation aufgeworfen. Wird Iben vom Ex entführt oder will der sie in die Psychiatrie bringen? Zwei Informationen steigern die Spannung: Iben steht auf einer Brücke und will sich das Leben nehmen. Asger muss am nächsten Tag vor Gericht als Zeuge aussagen. Alle Beteiligten sind titelgemäß ‘schuldig‘. Und alle Zuschauer werden in den Bann des freundlichen, telefonierenden Polizisten gezogen und von der Erkenntnis eingeholt, dass der Übergang von Gut zu Böse oft fließend ist…
Ist mal was anderes. Ein Renner für Filmfestivals!… Mehr anzeigen
Ein packendes Kammerspiel und ein Kopfkino vom feinstem,bei dem man fast vergisst für 85 Minuten zu atmen.
Zuletzt geändert vor 4 Jahren
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