Werk ohne Autor Deutschland 2018 – 188min.
Filmkritik
Das stille Flimmern der Vergangenheit
Inspiriert von Leben und Werk des Malers Gerhard Richter erzählt Florian Henckel von Donnersmarck vom Heranwachsen, Lieben und Künstlerwerden im Deutschland des 20. Jahrhunderts.
Er soll nicht wegsehen, sondern hinschauen: Sechsjährig ist Kurt Barnert, als er mit seiner Tante Elisabeth in Dresden eine Ausstellung über Entartete Kunst besucht und, obwohl der Museumsführer diese schlechtredet, davon tief beeindruckt ist. Doch das darf man 1937 laut nicht sagen. Genauso wenig, wie dass Kurts Vater nicht der Partei beitrat, daraufhin seine Stelle verlor und Kurt und seine Eltern nun bei den Grosseltern und Elisabeth auf dem Land wohnen. Kurt wächst heran und sieht: Wie Elisabeth die Busfahrer an der Endstation zu einem Hupkonzert animiert. Wie sie nackt Klavier spielt und später abtransportiert wird. Er sieht auch, wie Flieger Richtung Dresden donnern und die Stadt in Flammen aufgeht.
Elisabeth stirbt in der Gaskammer, ihre Brüder auf dem Feld, der Vater erhängt sich. Wenn Kurt das Hinschauen unerträglich wird, lugt er durch die gespreizten Finger. Er kommt in die Pubertät, wird wunderlich: So ausufernd Florian Henckel von Donnersmarcks einzelne Szenen geraten, so elliptisch erzählt er anderswo. In den 1950ern bleibt sein Film erneut hängen. Kurt studiert an der Kunstakademie, verliebt sich in die Modestudentin Ellie Seeband, Ellies Vater, Dr. Claus Seeband, ist ein Professor der Gynäkologie mit unschöner Vergangenheit. 1961 setzen sich Kurt und Ellie nach Düsseldorf ab. In den folgenden Jahren beginnt sich der bis dato für seine realistischen Werke gefeierte Kurt als Künstler neu zu erfinden.
Zwölf Jahre nach seinem sensationellen Erstling Das Leben der Anderen (und acht Jahre nach dem Hollywood-Flop The Tourist) meldet sich Florian Henckel von Donnersmarck mit einem Film der Extraklasse zurück: Werk ohne Autor, der sich unübersehbar an der Biografie des Malers Gerhard Richter entzündet, ist als Sittenepos, dessen Protagonist nach der ästhetischen Wahrheit sucht, nicht nur spannend, sondern – obwohl er bisweilen unverbrämt Brutales zeigt – auch hypnotisierend schön. Dabei bringt Henckel von Donnersmarck das kriegswirre Deutschland so stimmig auf die Leinwand wie die DDR der 1950er- und die BRD der 1960er-Jahre. Er verhandelt anhand des Werdegangs seines Protagonisten die Stile der Kunst und spiegelt in dessen fotorealistisch-verfremdeten Gemälden subtil noch einmal den tragischen Irrwitz von Barnerts Lebens. Tom Schilling (Oh Boy) spielt die Hauptrolle sehr konzentriert, Sebastian Koch (The Danish Girl) brilliert als Nazi-Arzt: ein starkes deutsches Kinostück über persönliche sowie kollektive Traumata und die Kraft der Kunst.
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Kommentare
"Werk ohne Autor" zeigt sich als ambitioniertes Kino. Henckel von Donnersmarck kleckert nicht, sondern klotzt. Zuweilen trägt er dabei aber allzu dick auf, doch ist die überbordende Laufzeit von drei Stunden fast nie beschwerlich.
Hat mir sehr gut gefallen, eine 3 1/2 Std. Zeitreise mit Kunst, die ich mir auch ins Zimmer hängen würde.
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