Glass USA 2019 – 129min.

Filmkritik

Superhelden in der Anstalt

Christopher  Diekhaus
Filmkritik: Christopher Diekhaus

Seine Auseinandersetzung mit dem Superheldengenre, die M. Night Shyamalan (The Visit) im Jahr 2000 mit Unbreakable begann und 2016 mit Split fortführte, findet in Glass nun ihren Abschluss, der keineswegs restlos überzeugt, allerdings sehr wohl einige packende Momente und spannende Ideen zu bieten hat.

Im letzten Teil seiner Trilogie über Menschen mit übernatürlichen Fähigkeiten schickt der Regisseur den aus Unbreakable bekannten David Dunn (Bruce Willis), der einst ein Zugunglück schadlos überlebte, daraufhin von einem Comic-Experten namens Elijah Price (Samuel L. Jackson) bedrängt wurde und am Ende seine besonderen Gaben akzeptierte, auf die Jagd nach dem unter einer dissoziativen Identitätsstörung leidenden Kevin Wendell Crumb (James McAvoy), dem es im Schlussdrittel von Split gelang, seinen 23 unterschiedlichen Persönlichkeiten mit der sogenannten „Bestie“ eine monströse 24. hinzuzufügen.

Schon gleich im ersten Akt treffen die beiden mit Superkräften ausgestatteten Männer aufeinander, landen jedoch nach ihrer überraschenden Festnahme in einer psychiatrischen Klinik. Dort wird auch der von der Glasknochenkrankheit betroffene hochintelligente Price alias Mr. Glass festgehalten, der in den finalen Momenten von Unbreakable gestand, auf der Suche nach seiner Bestimmung diverse Katastrophen – unter anderem Davids Zugunglück – heraufbeschworen zu haben. Ein fast schon obsessives Interesse für die drei Insassen zeigt die ehrgeizige Dr. Ellie Staple (Sarah Paulson), die unbedingt beweisen will, dass Dunn, Crumb und Glass keine Menschen mit aussergewöhnlichen Eigenschaften sind, sondern einer besonderen Form des Grössenwahns anhängen.

Gerade im Vergleich mit den fulminanten Materialschlachten der Marvel- und DC-Verfilmungen wirkt Shyamalans Herangehensweise an das Superheldengenre erfrischend anders und originell. Unbreakable kommt als eindringliches Charakterdrama daher, das erst im letzten Drittel ins Fantastische ausgreift. Split präsentiert sich lange Zeit als nervenaufreibender Schocker, den die Geburt der „Bestie“ ins Übernatürliche transportiert. Und auch Glass, der zu einem Grossteil in der Klinik spielt, verzichtet fast gänzlich auf Effektgewitter und ausufernde Actionszenen. Der abschliessende Teil der Trilogie kreist vor allem um die Therapiegespräche, die immer dann eine beängstigend intensive Wucht entfalten, wenn McAvoy die Bühne betritt. Wie der Vollblutmime binnen Sekunden zwischen den Identitäten seiner Figur hin- und herspringt, ist schlichtweg atemberaubend.

Glass hat sicherlich eine Reihe spannender Einfälle zu bieten und jongliert einmal mehr sehr lustvoll mit den Regeln des Superheldengenres, erscheint insgesamt aber nicht ganz ausgereift. Einige Drehbuchentwicklungen sind weniger clever, als es Shyamalan den Zuschauer glauben machen will. Mit seinen Protagonisten weiss der Regisseur nicht immer etwas anzufangen. Und das leicht wichtigtuerisch anmutende Finale dürfte – wie so oft bei diesem Filmemacher – für handfeste Diskussionen sorgen, da es mindestens eine Drehung zu viel nimmt.

16.01.2019

3

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Kommentare

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8martin

vor 3 Jahren

Wenn die Anzahl der Oscarnominierungen von der Goldenen Himbeere übertroffen werden, sagt das schon einiges über die Qualität der Arbeiten von Regisseur Night Shyamalan aus.
Hier hat er zwei in Verbindung stehende Themen bearbeitet: Größenwahn und Identitätsstörung. Er hat sich dafür drei Superdarsteller ausgesucht: James McAvoy (Kevin), Bruce Willis (David) und Samuel Jackson (Mr Glass).
Nur was er dann als kryptisches Geschwurbel auf uns ablässt, ist selten so krautig gewesen. Aus allerlei Versatzstücken müssen sich die Zuschauer selbst Persönlichkeitsbilder der drei erstellen. Kevin ist der aufgeblasene Kraftprotz Hulk, David, der mit dem Helfersyndrom und Mr. Glass (Titel!) hat alles erfunden. Zwischen den dreien agiert die hilflose Psychiaterin Dr. Staple (Sarah Paulson). Sie macht unter den absonderlichen Gestalten die unglücklichste Figur: planlos, inkompetent schwurbelt sie sich durch die Terapiestunden.
Während der ersten Hälfte versucht der Zuschauer sich auf die Handlung einen Reim zu machen, was im weiterenn Verlauf resigniert aufgegeben wird. Dann kommt Ärger auf: z.B. wie die Betreuer in ‘freier Wildbahn‘ um die Patienten herum agieren. Die Fachleute sind den Patienten ausgeliefert. Na ja!? Dabei wirkt James McAvoy als Dreikäsehoch nur lächerlich.
Regisseur Shyamalan würzt den Plot mit Weisheiten aus der Taschenpsychologie wie z.B. ‘Eltern sind der Schlüssel zum Verständnis der absonderlichen Söhne. Und als höchste aller Weisheiten verrät uns Shyamalan ‘Es darf keine Götter unter uns geben.‘
Selbst wenn man sucht, wird man keine finden. Außerdem kommen am Ende alle Probanden irgendwie um. Da ist mir die Himbeere noch zu schade. Ich vergebe die saure Gurke für diesen Murks. Wie kann man sich so eine sinnfreie Zeitverschwendung bloß antun?!Mehr anzeigen


Travelmichi

vor 5 Jahren

Der Film hat super gestartet und dann stark nachgelassen. Die vielen langweiligen Dialoge und die ewigen Grossaufnahmen der Figuren war nervig und aus meiner Sicht völlig unnötig.
Habe mir in der Pause wirklich überlegt ob ich wieder in den Kinosaal rein soll.
Der Schluss hat dann wieder an Fahrt ausgenommen. , aber tröstet nicht über den schwachen Mittelteil hinweg.
Kann man getrost vergessen.Mehr anzeigen


navj

vor 5 Jahren

"Glass" kann sich voll und ganz auf seine starken Hauptdarsteller Bruce Willis, James McAvoy und Samuel L. Jackson verlassen, wobei McAvoy mit seinem irren Spiel immer wieder zum Showstealer mutiert. An seinen deutlich stärkeren Vorgänger "Split" kommt "Glass" jedoch nicht heran.


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