Hive Albanien, Schweiz 2021 – 84min.
Filmkritik
Der Weg in die Emanzipation
Mit selbstgemachtem Ajvar will Fahrije ihrer Familie und dem gesamten Dorf zu neuer Selbstständigkeit und Selbstvertrauen verhelfen. Blerta Basholli zeigt in ihrem Film, der als Kosovos Oscarbeitrag eingereicht wurde, wie sich eine Frau erfolgreich gegen Vorurteile und fest eingefahrene Wertvorstellungen behauptet.
Fahrijes (Yllka Gashi) Ehemann ist nicht der einzige, der vermisst wird. Seit den militärischen Auseinandersetzungen von 1999 leben im Dorf nur noch Frauen, Kinder und ältere Menschen. Sie warten darauf, dass die Männer zurückkommen, damit sie für den Unterhalt der Familie sorgen können. Nach sieben Jahren, in denen Fahrije, ihre zwei Kinder und Schwiegereltern vom knappen Geld der Sozialhilfe leben, entscheidet sie sich, ein eigenes Einkommen zu erzielen. Sie beginnt mit der Produktion von Ajvar, eines traditionellen Paprikamuses, das sie in einem Supermarkt in der Stadt verkaufen möchte. Nach anfänglicher Skepsis steigen immer mehr Frauen ein, und das Unternehmen erfreut sich eines wachsenden Erfolgs. Doch für die konservative, patriarchalisch geprägte Gesellschaft ist Fahrijes Verhalten einer Frau unwürdig. Mit ihrer Selbstständigkeit stellt sie die natürlich Ordnung zwischen den Geschlechtern in Frage und untergräbt die Autorität der Männer.
Die kosovarische Regisseurin Blerta Basholli hat sich für ihren Spielfilm und ihrer Protagonistin von einer wahren Geschichte inspirieren lassen. Das Dorf Krusha e Madhe geriet 1999 ,während des Kosovokriegs in die Schusslinie, zahlreiche Einwohner liessen dabei ihr Leben, man spricht von einem Massaker. Noch heute, zwanzig Jahre danach, gelten etwa 1600 Menschen, darunter viele Männer, als verschollen. Aus diesem „Dorf der Witwen“ ging die echte Fahrije als entschlossene Unternehmerin hervor, die erst für sich, aber schliesslich für die ganze Gemeinschaft eine entscheidende Verbesserung der Lebensumstände erwirkte. «Hive» erzählt von dieser Emanzipationsgeschichte.
Die Kamera begleitet die Hauptfigur aus nächster Nähe und vollzieht ihre Gemütsregungen nach. Ist Fahrije, empathisch und resolut gespielt von Yllka Gashi, aufgewühlt, sind die Einstellungen unruhig, kommt sie zwischenzeitlich etwas zur Ruhe, wie in den Rückblenden, in denen sie sich liebevoll an ihren vermissten Mann erinnert, entspannt sich auch die Bildfindung. Insgesamt zeichnet sich der Film durch eine dichte Inszenierung aus, die die Veränderungen im Dorf und in den Köpfen der Menschen sensibel, differenziert und trotzdem nicht ohne eine spürbare Anteilnahme beschreibt.
«Hive» zeigt am Beispiel Südosteuropas, wie steinig der Weg vieler Frauen in Richtung Selbstständigkeit und Anerkennung war - und noch immer ist. Bereits etwas scheinbar Einfaches und Unbedeutendes, wie das Recht, ein Fahrzeug zu lenken, kann gemäss konservativen Vorstellungen zur Gefahr für eine gesamte Gesellschaftsordnung werden und muss daher erkämpft werden. Doch sollte, wie auch der Film darauf hinweist, immer klar bleiben, dass die Emanzipation von Frauen nicht zwangsläufig bedeutet, dass die Männer an Wert verlieren.
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Kommentare
Der Schlusssatz obiger Filmkritik:
FrauenemanzipatIon meint nicht zwangsläufig, dass die Männer an Wert verlieren".
Wie wahr – wie schwach die Männer, die den Macho raushängen müssen,
oder noch schlimmer, heimlich Steine werfen, sabotieren, schwache Figuren abgeben.
Einerseits ein traurigschöner Film über die Wunden der letzten Balkankriege,
aber vielleicht auch eine Parabel zur Geschlechterthematik.
Armselige Waschlappen: Solche Männer sind nicht auf den Balkan abonniert.
Heimlich Steine werfen – im Dorf stehen Kirchturm und Minarett:
Und Kirchturmpolitik punkto Frauenfrage: Da muss niemand lauthals aufs Minarett zeigen...… Mehr anzeigen
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