CH.FILM

(Im)mortels Schweiz 2021 – 88min.

Filmkritik

Dem Tod in die Augen schauen

Filmkritik: Teresa Vena

Gerti ist 93 Jahre alt. Wenn sie an den Tod denkt, hofft sie, dass er bald komme, damit sie es endlich hinter sich bringen könne. Danach ist nichts, davon ist sie überzeugt. Ihre Enkelin und Regisseurin des Dokumentarfilms ist sich dessen aber nicht ganz so sicher und sucht nach Antworten.

Gerti ist 93 Jahre alt, körperlich wie mental noch gesund. Sie liebt Schokolade und kümmert sich mit Hingabe um ihren üppigen Garten. Auf die Fragen ihrer Enkelin zu ihrer Familiengeschichte und allgemein zu ihrem Leben antwortet sie mit viel Sinn für Humor, manchmal auch sarkastisch. Nur wenn es um das Thema Tod geht, wird sie einsilbig. «Danach gibt es nichts mehr», erwidert sie entschlossen. Das hohe Alter der Grossmutter treibt die Gedanken der Enkelin um das Unausweichliche um. Die einfache Erklärung der Grossmutter fällt ihr schwer zu akzeptieren, und sie sucht nach alternativen Sichtweisen. Was sagt die Wissenschaft, was die Religionen und was berichten Menschen, die eine Nahtoderfahrung hatten?

In «(Im)Mortels» begleitet Ribi ihre Grossmutter über etwa zehn Jahre hinweg, bis sie 103 Jahre alt wird. Lila Ribi hat ein sehr enges Verhältnis zu ihrer Grossmutter. Der Dokumentarfilm ist sowohl ein Porträt dieser starken, in höchstem Masse selbstständigen Frau als auch eine Art therapeutisches Mittel für die Regisseurin, sich auf einen einschneidenden Prozess, den Tod eines geliebten Menschen, vorzubereiten. Es ist ein Versuch, mit Hilfe der Vernunft, des Sammelns von Informationen und gleichzeitig dem Festhalten letzter Erinnerungen sich zu wappnen für etwas, und darin liegt der Kern des Problems, das letztlich immer unbekannt bleiben wird. Wie geht es nach dem Tod weiter?

Die Antworten von Experten wie Medizinern und Therapeuten interessieren Ribi schnell nicht mehr, vielmehr faszinieren sie die Gedanken von Menschen auf Augenhöhe mit ihr. Zwei Frauen berichten von ihrer Nahtoderfahrung, wie sie daraus neue Kraft geschöpft haben, eine von ihnen fühlt sich seitdem als eine Art Medium. Sie kann die Seelen der Toten erspüren. Fürs Übersinnliche hat Oma Gerti wenig übrig. Sie berichtet, dass sie sich früh alleine um drei Kinder kümmern musste, und als ihr Mann sie verliess, da galt es, pragmatisch zu sein. Dem Charakter seiner Protagonistin bleibt der Film insofern treu, als er auf einen pathetischen, sentimentalen Tonfall verzichtet, und stattdessen die Momente hervorhebt, in denen Gerti fröhlich ist. Trotz der (tod-)ernsten Thematik ist überhaupt ein emotional ausgeglichenes und lebensfrohes Werk entstanden.

Der Film wechselt zwischen den Aufnahmen mit der Grossmutter und den Nachforschungen der Autorin über das Thema Tod hin und her. Stellenweise nehmen letztere etwas zu viel Gewicht ein, da sie zumal auch nicht immer ausgesprochen aussagekräftig sind, lieber hätte man sich mehr Szenen mit Gerti gewünscht und einen tieferen Einblick in ihre offensichtlich bewegte Vergangenheit. Insbesondere der ganze Teil mit Ribis Selbstversuch eine Nahtoderfahrung herbeizuführen, wirkt etwas forciert und fast kindlich.

10.04.2022

3

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