Paracelsus Ein Landschaftsessay Schweiz 2021 – 108min.
Filmkritik
Die Unmittelbarkeit von längst Vergangenem
Der Innerschweizer Erich Langjahr spürt dem Arzt und Propheten Theophrastus Bombast von Hohenheim, genannt Paracelsus nach. Er tut es mit Unterstützung des Historikers Pirmin Meier, der die Zuschauer hinter den dicken Schichten der Geschichte einen Menschen von wachem Geist und verschmitztem Humor entdecken lässt.
Die Alpen, waldige Hügel, das Nebelmeer, Täler, Seen, Flüsse: «Paracelsus Ein Landschaftsessay» beginnt mit Flugaufnahmen der heutigen Schweiz. Schliesslich zeigt das Bild die Teufelsbrücke bei Egg in Einsiedeln. Hier, setzt die Erzählung ein, befinde sich der Geburtsort von Paracelsus: Über diese im 12. Jahrhundert erbaute Brücke sei der 1493 geborene Theophrastus Bombast von Hohenheim zu seiner Lebenszeit mit grosser Wahrscheinlichkeit geschritten. Ein einfaches Denkmal neben der Brücke erinnert an den prominenten Bürger Einsiedelns, der die Freiheit predigte, zeit seines Lebens aber ein «Gotteshauskind» (Leibeigener) des Klosters blieb.
Über Paracelsus frühe Jahre ist wenig bekannt. Sein Vater, der Mediziner Wilhelm von Hohenheim, stammt aus dem schwäbischen Niederadel. Seine Mutter war eine Einsiedlerin, Paracelsus war der beiden einziges Kind. Nach dem frühen Tod der Mutter zog der Vater mit Theophrastus ins kärntische Villach. Theophrastus studierte seinerseits Medizin und promovierte um 1515 an der Universität Ferrara. Gestorben ist er nach einem rastlosen Leben 1541 in Salzburg, das Grabmal auf dem Sebastianfriedhof erinnert noch heute an den grossen Arzt, Alchemisten, Mystiker und Philosophen, der unheilvolle Leiden wie Lepra, Gicht und Wassersucht mit wunderbarer Kunst hinweg nahm.
Langjahr fokussiert sich in seinem Film vorwiegend auf Orte und Stätte, an denen sich Paracelsus Anwesenheit belegen lässt oder Spuren seines Wirkens zeigen. Er führt dabei im grossen geografischen Bogen aus der Innerschweiz über Basel nach Deutschland und Österreich. Gleichzeitig taucht er ein in Paracelsus Schriften: seine alchemistische Lehre und medizinischen Abhandlungen, Prophezeiungen und philosophischen Einsichten.
Erich Langjahr – man verdankt ihm prächtige Dokumentarfilme wie «Männer im Ring», «Sennen-Ballade» und «Hirtenreise ins dritte Jahrtausend» – ist ein sorgfältiger Handwerker und aufmerksamer Beobachter. Abgesehen davon ist er ein dokumentarischer Purist, der Dinge nicht zurechtbüschelt, sondern ins Bild rückt, was er vor Ort antrifft. So überlagern sich auch in seinem neusten Film Vergangenheit und Gegenwart. Donnert während einer Laienmesse der Feierabendverkehr über die Landstrasse vor der Kapelle. Schauen neugierige Anwohner aus den Fenstern, während Pirmin Meier vor einem Haus in Salzburg von Paracelsus letzten Tagen erzählt. Und beim Besuch des Rheinfalls wird nicht die riesige Wassermenge thematisiert, sondern das immense Getöse, welchen den Wasserfall zum Klangraum werden lässt: Das Bild zeigt derweil achtlos weggeworfene Flaschen, die auf dem schäumenden Wasser tanzen.
«Paracelsus Ein Landschaftsessay» ist im Erzählrhythmus gemächlich, in der Fülle der vermittelten Informationen aber überaus dicht. Was nicht zuletzt der Verdienst von Pirmin Meier ist, den Langjahr immer wieder mitten ins Bild stellt und aus seinem reichen Fundus von Anekdoten und Geschichten erzählen lässt. Man kann diese unmittelbare Inszenierung eines Erzählers als störend empfinden oder aber sich von Meiers Charme, seinem grossen Wissen und seiner pointierten Erzählung in Bann ziehen lassen.
Sie müssen sich zuerst einloggen um Kommentare zu verfassen.
Login & Registrierung