Joyland Pakistan 2022 – 126min.

Filmkritik

… doch unter der Decke des Anstands brodelt es

Irene Genhart
Filmkritik: Irene Genhart

Saim Sadiq schildert in seinem bald so lebensfreudigen wie zwischendurch unerwartet dramatischen Spielfilmerstling, wie moderne Lebensentwürfe und unterdrückte Sehnsüchte der jüngeren Generation die traditionelle Lebensweise einer in Lahore wohnhaften Mittelklasse-Familie in Frage stellen und auseinanderbrechen lassen.

Haider lebt mit seiner Frau im Haus seiner Familie in Lahore. Sie arbeitet als Kosmetikerin, er kümmert sich mit seiner Schwägerin um den Haushalt. Das behagt Haiders Vater als Familienoberhaupt allerdings nicht. Er drängt Haider, einen Job anzunehmen und verbietet Mumtaz, auswärts zu arbeiten. Dass Haider nicht als Theatermanager arbeitet, sondern in der Truppe der Transfrau Biba tanzt, steht auf einem anderen Blatt. Ebenda steht auch, dass die unverhofft schwangere Mumtaz todunglücklich ist.

Saim Sadiq vermittelt in seinem Spielfilmerstling intime Einblicke in Alltag und Lebensweise einer pakistanischen Grossfamilie zwischen traditionellen Vorstellungen und modernen Ideen. Im Zentrum steht der zweite Sohn der Familie, der verheiratet seine homosexuelle Neigung entdeckt, und dessen Frau, die lieber arbeitet denn als Hausfrau und Mutter versauert.

Sadiq bedient sich eines grundlegend heiteren Tonfalls. Er deutet vieles bloss an und vermeidet eine Kategorisierung in gut und böse. Ali Junejo brilliert in der Rolle eines sanftmütigen Mannes, der seinem Vater zwar nicht Stirn bietet, aber seine eigenen Wege geht. Rasti Farooq überzeugt als starke Frau, der die persönliche (Entscheidungs-)Freiheit über alles geht. Die faszinierendste Figur aber ist die von Alina Khan gespielte Transfrau Biba. Sie weiss sich in einer für Menschen wie sie nicht vorbereiteten Welt unerschrocken zu behaupten und verpasst dem aus einem für erotische Darstellungen nicht sonderlich berühmten Land stammenden Film eine zarte queere Note.

06.03.2023

4.5

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Kommentare

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thomasmarkus

vor einem Jahr

Überraschend leichter, aber doch auch schön-trauriger Einblick hinter die Fassaden gutbürgerlicher, alteingesessener pakistanischer Familie. Heutig. Nicht nostalgisch. Für einen Erstling ein Wurf!


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