Goya, Carrière & the Ghost of Buñuel Frankreich, Portugal, Spanien 2022 – 90min.
Filmkritik
Ein aussergewöhnlicher Reiseleiter
Wie schon bei dem Maler Hieronymus Bosch (Das Geheimnis von Hieronymus Bosch, 2016) zieht José Luis Lopez-Linarez die Fleece-Mütze eines Ermittlers an. Er nimmt den verstorbenen Jean-Claude Carrière mit auf einen spanischen Roadtrip auf den Spuren von Goya, auf dem sich der Schatten eines geheimnisvollen Gastes abzeichnet.
Als Kamerad von Luis Buñuel und renommierter Drehbuchautor («Belle de Jour», «Borsalino», «La Piscine») ist Jean-Claude Carrière ein wahrer Tenor des französischen Kinos. Von denen, die im Dunkeln arbeiten, ist er nun an der Reihe, vor der Kamera zu stehen. Im Land von Cervantes durchstreift der alte Gaukler mit seinem Stock Schlüsselorte. Das Geburtshaus des Autors von «Die nackte Maja» in Fuendetodos oder die majestätischen Säle des Prado. Sowohl die Gemälde als auch die besuchten Orte werden von Carrière kommentiert: Dort enthüllt sich eine Allegorie, hier wird der Ausdruck eines Pinselstrichs hervorgehoben. Die Kamera begleitet die Erklärungen nüchtern mit Kamerafahrten oder Nahaufnahmen.
Die Zeit zwischen den Dreharbeiten und dem Schnitt des Dokumentarfilms war durch den Tod von Jean-Claude Carrière im Jahr 2021 geprägt. Lopez-Linarez begnügte sich nicht mit einer blossen Erwähnung im Abspann. Um den Drehbuchautor zu würdigen, integrierte er Aussagen aus der Welt der Kunst - Julian Schnabel, Carlos Saura, Guillermo Perez Villalta - und von Carrières Angehörigen. Sie alle bringen die Leidenschaft des Mannes für den Maler zum Ausdruck und versetzen die Erzählung in eine doppelte Zeitlichkeit: Die Analyse der Gemälde mündet nahtlos in die Erinnerungen der Vertrauten. Die Absicht ist lobenswert, das Ergebnis ein wenig chaotisch.
Auch wenn das von Lopez-Linarez skizzierte Doppelporträt Goya-Carrière weitgehend zugänglich ist, sind die von dem Ganzen gewobenen Filiationen als Querverbindungen gedacht. Wenn man dabei ertappt wird, sich selbst quer durch die Kunstgeschichte zu verorten, kann das Ganze an Interesse verlieren. «L'Ombre de Goya» von Jean-Claude Carrière ist eine bewegende Hommage an den Werdegang des Drehbuchautors und wird wie ein echtes Privileg genossen. Es ist das Privileg, von einem aussergewöhnlichen Menschen durch die Ecken eines Werkes geführt zu werden.
Übersetzung aus dem Französischen von Fanny Agostino durch Zoë Bayer.
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Kommentare
Sehr informativ und anschaulich, man hört Carrière sehr gerne zu, da er nicht belehrend wirkt.
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